Um Karl Kraus zu zitieren. Mir fällt zu Hitler nichts ein. Nein, ich wollte schreiben, mir fällt zur Liebe nichts ein.

Aber sollte mir denn etwas einfallen? Ist das Thema nicht schon tausendfach beschrieben, behandelt, hinterfragt worden. Von kompetenten Beherrschern der Sprache, von Menschen in der ganzen Welt, von Agnostikern wie von gläubigen Menschen?

Im Museum in Asparn an der Zaya habe ich einmal etwas gehört oder gelesen, was sich bei mir unauslöschlich eingeprägt hat: der Übergang des Menschen vom vierbeinigen zum zweibeinigen Läufer. Ich habe gelernt, dass der Mensch, der sich auf zwei Beinen bewegte, zu langsam war, um jeden Tag die erforderliche Nahrung zu erlaufen. Daher musste sich der Körper ändern. Dieser hat zwei Möglichkeiten: er konnte einen größeren Magen entwickeln, um auf diese Weise mehr Nahrung speichern zu können, oder er konnte das Gehirn vergrößern, um geschickter neue Nahrung finden und beschaffen zu können. In dieser Zeit verdoppelte sich die Gehirnmasse und dokumentierte die getroffene Entscheidung.

Jetzt stellt sich etwas Sonderbares heraus. Ich bitte, bei der nachfolgenden Betrachtung meine Vernachlässigung der modernen Gehirnforschung zu ignorieren, in der die Dichotomie zwischen linker und rechter Gehirnhälfte weitestgehend in Frage gestellt wird. Ich beziehe mich jetzt auf den naiven Ansatz, welcher die linke Gehirnhälfte der „Intelligenz“ und die rechte Gehirnhälfte der „Emotionalität“ zuordnet.

Jetzt ist es wohl eindeutig, dass die linke Gehirnhälfte dazu gelernt hat. Die technologische Entwicklung und unsere Neugier, den Dingen auf den Grund zu kommen, ist unbestreitbar. Selbst, wenn wir zugeben, dass wir in unseren Beschreibungen der Zusammenhänge lediglich Modelle verwenden, die besser oder schlechter zur Realität passen. Von Zeit zu Zeit wird eine „Wahrheit“ angepasst, wie es Einstein mit Newton tat, aber wir trösten uns damit, dass es sich nur um Verfeinerungen handelt, welche die „Wahrheit“ aus anderem Blickwinkel betrachten. Und besonders leistungsfähig ist unsere Intelligenz, wenn es darum geht, Waffen zu entwickeln. Während ich dies schreibe, fällt mir plötzlich auf, dass das die Absicht der Natur gewesen sein musste. Um die notwendige Nahrung zu bekommen, muss sich der Mensch gegen Konkurrenz mit den anderen Nahrungskonsumenten ausreichend „schützen“. Unsere Kriege könnten daher in diesem Sinn gesehen werden, selbst wenn man zugestehen muss, dass kein Mensch auf der Erde hungern müsste, wenn man nur eine bessere Verteilung der Güter fände.

Aber wie sieht es mit der rechten Gehirnhälfte aus? Da kann ich keinen Fortschritt erkennen, abgesehen von einer kleinen Ausnahme, zu der ich später kommen werde. Ein Othello berührt die Menschen heute so wie zum Zeitpunkt seiner Uraufführung. Eifersucht kam schon früher bei den griechischen Dramen vor und wird sowohl in der hellenisch-römischen wie in der nordischen Dichtung als eines der bestimmenden Merkmale einiger Dramen erkennbar. Besonders gefallen hat mir in diesem Zusammenhang (nicht wirklich gefallen, sondern willkommen, weil es meine Meinung so gut unterstützt) der Zwang, den Fricka Wotan aussetzt, damit er die Ehre Hundings unterstützt und gegen die Liebe der Geschwister agiert. (In Walküre nachzulesen) Fricka besteht auf einem Ehegesetz, welches vollkommen außer Acht lässt, dass Sieglinde von Hunding geraubt wurde, aus Rache oder Beute spielt hier keine Rolle. In dem Sinn hat Wagner auch gleich die IS-Philosophie (um nicht den Islam zu beleidigen) vorweggenommen. Die Frauen gehören dem Stärkeren.

Wie anfangs erwähnt haben sich unzählige Dichter über die „Liebe“ ausgelassen. Dass dieses Wort unterschiedlichste Ausführungen erfährt, spricht nicht gegen die damit assoziierte Empfindung. Interessanterweise ist in Ländern wie Serbien und Bulgarien die Liebe unmittelbar mit der Eifersucht verbunden. Das trifft nicht nur auf gewalttätige Männer zu. Frauen scheinen hier noch viel konsequenter zu denken und handeln, wenn es ihr wirtschaftlicher Status ermöglicht. Ich habe diese Länder hervorgehoben, weil ich hier mehrfach die Eifersucht gesehen habe, die sich selbst bei gebildeten und intelligenten Menschen entdecken ließ.

Nun ist die Eifersucht das Analogon der rechten Gehirnhälfte zu Macht und Habgier der linken. Sie mag also ebenfalls von der Natur als Schutzmechanismus entwickelt worden sein. Anders lässt sich die Volksweisheit, wer nicht eifersüchtig ist, liebt nicht, wohl kaum erklären.

Nun gibt es aber schon so etwas wie eine „echte“ Liebe. Vielleicht nicht so häufig verbreitet wie alle Verkleidungen, die sich als Liebe tarnen. In Faust kommen im zweiten Teil Philemon und Baucis vor. Ein solches Paar habe ich einmal kennen gelernt. Sie werden nun schon eines natürlichen Todes gestorben sein, wie ich hoffe. Als ich sie traf, waren sie 88 und 91 und sie lebten in einem Heim für zurückgekehrte Russlanddeutsche. Sie waren nach Russland ausgewandert und letztlich in der Stalin-Zeit gelandet. Arbeit im Kohlebergwerk im Ural, schwerste Erkrankungen mit Lungenentzündung und den üblichen Mangelerscheinungen. Später gab es die Umsiedlung nach Sibirien, wo sie sich irgendwann als Kleinstbauern einrichten konnten. Einen Sohn gab es auch. Der hatte sich dort so gut zurechtgefunden, dass er nicht nach Deutschland mitkommen wollte.

Die beiden Alten waren faszinierend. Die Gesichter erschienen durch die unzähligen Falten wie Kunstwerke, die aus Stein gemeißelt waren. Die Stimmen waren klar, die Gedanken zeigten nichts von Alterserscheinungen. Faszinierend waren die Augen, ich glaube, mich zu erinnern, dass ihre blau waren. Beide konnten mit den Augen lächeln, wie ich es nur bei sehr, sehr wenigen in meinem Leben erleben konnte. Aber letztlich war das Besondere an dieser Begegnung ein Satz, den sie sagte: Eigentlich ist es uns sehr gut gegangen, denn in der ganzen Zeit arbeiten wir selbst bei getrennter Arbeit Seite an Seite. Wir wurden nie voneinander getrennt!

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fischundfleisch

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