In der Gefängniszelle des Mannes mit der eisernen Maske.

(c) Jérôme KELAGOPIAN http://www.kelagopian.com

Jonas und Karin sind schon weitergegangen. Ich höre ihre Schritte nur noch entfernt durch den Flur hallen. Um mich herum ist es still. Sehr still.

Ich höre das Rauschen des Meeres und sehe durch die rostigen Gitterstäbe, die in zwei Ebenen die Sicht stark einschränken, das Festland von Cannes. Eine Möwe fliegt kreischend vorbei und das Unkraut auf dem Fenstersims wiegt sich in den Armen des Windes.

Ich schaue mich in der Gefängniszelle um, in der ich nun schon einige Minuten ohne eine Bewegung stehe und fühle die Kälte, die die kahlen Wände ausstrahlt. Über dem Mittelmeer herrscht ein schöner Spätsommer, ich trage Shorts und ein T-Shirt und friere leicht in der Zelle. Was würde ich machen, wenn ich einen Tag hier gefangen wäre? Was in einer Woche, einem Monat oder gar einem Jahr? Mich umgibt ein beklemmendes Gefühl der Einschränkung. Ich atme schwerer, mein Plus beschleunigt. Am Abend werde ich „unangenehmes Gefühl“ und „Beklemmung“ in mein Notizbuch kritzeln. Doch in diesem Moment erinnere ich mich an eine Führung durch die Berliner Unterwelten. Einen Bunker habe ich mir damals angesehen, in dem Menschen, zusammengefurcht wie Hühner, die ihr so gerne von Kentucky Fried Chicken esst, im Angstschweiß gebadet auf das Ende des Luftangriffs warteten. Es roch eigenartig dort unten. Etwas süßlich, gemischt mit dem Geruch des feuchten Gemäuers. Hier, auf der Insel Sainte-Marguerite im Gefängnis des Mannes mit der eisernen Maske riecht es nach Meer. Der Geruch, den ich sonst mit unsagbarer Freiheit gleichsetze, interpretiert im Tanz meiner Nase nun Angst und Klaustrophobie.

Wie mag man sich wohl fühlen, wenn man 34 Jahre lang eingesperrt ist?

Zwei Jahre davon verbrachte der Mann mit der eisernen Maske in der Zelle, in der ich gerade, 312 Jahre später mit iPhone und digitaler Spiegelreflexkamera stehe.

Und ich erfahre hier noch mehr über den mysteriösen Gefangenen. Oder eher noch weniger: Bis heute wurde seine Identität nicht geklärt. Jahrelang hielt ich es für bewiesen, dass der Mann mit der eisernen Maske der Zwillingsbruder von Ludwig XIV. war. Doch das ist nur eine Theorie. Alleine auf Wikipedia lassen sich 21 weitere Hypothesen finden, die über die Herkunft des Mannes mit der eisernen Maske spekulieren. Selbst Molière findet hier Erwähnung und wird, wie Jonas feststellt, hinter der Maske vermutet, die dem Namen zum Trotze nicht aus Eisen, sondern Samt war.

Und so bleibt das Geheimnis um den Mann mit der eisernen Maske ein ungelüftetes Rätsel, dessen Informationslücken es noch spannender machen das Gefängnis auf der Insel Sainte-Marguerite vor Cannes zu besuchen.

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Petra vom Frankenwald

Petra vom Frankenwald bewertete diesen Eintrag 02.02.2016 09:09:53

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