Info-Abend der AfD Sachsen:
WER ARBEITSLOSENGELD BEKOMMT, SOLL NICHT WÄHLEN DÜRFEN
Die rechtsradikale AfD in Sachsen lädt zu einem Vortrag mit dem Volkswirt Krall. Der hat Vorschläge bezüglich einer „bürgerlichen Revolution“. Jörg Urban (AfD) scheint nicht abgeneigt. Eine Analyse.
Bei den Landtagswahlen in Sachsen im vergangenen Jahr haben sich 36 Prozent der Langzeitarbeitslosen für die AfD entschieden. Gründe hierfür hat der Evangelische Fachverband für Arbeit und soziale Integration gemeinsam mit der Diakonie in Bayern erhoben. Demnach ließen aus der Perspektive der Betroffenen Politik und Gesellschaft wenig Interesse an ihrem Schicksal erkennen.
AfD-Sachsen: Der Protest könnte nach hinten losgehen
Aussagen der Betroffenen zufolge werde die AfD als Protestpartei wahrgenommen, die soziale Situation in Deutschland negativ und die Verteilungskämpfe als immer härter betrachtet. Dieser Protest könnte früher oder später nach hinten losgehen.
AfD-Fraktion Sachsen lädt Markus Krall als Redner ein
Am 23. Januar 2020 hatte die AfD-Fraktion Sachsen zu einem Vortrag nach Olbernhau geladen. Als Gastredner stand Markus Krall auf dem Podium, der nicht nur bereits als Autor beim „nationalkonservativen Blog“ (Cordt Schnibben, „Spiegel“) „Tichys Einblick“ fungiert. Der Volkswirt und Risikomanager ist auch Vorstandsmitglied und Geschäftsführer der Degussa Goldhandel GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main, die die AfD nach ihrer Gründung als Lieferant in ihrem Goldhandel unterstützt hatte.
Markus Krall referiert zum Thema „Wer rettet Europa“ bei AfD-Sachsen
Krall, der unter dem Titel „Wer rettet Europa“ referierte, bedankte sich zunächst bei den Sachsen als Bewohner des „Landes, wo die Freiheit noch atmet“. Dann erklärte er, was „unsere Gesellschaft kennzeichnet“. Nämlich, dass man sich weigere, den „Abgrund zur Kenntnis“ zunehmen, wobei die Medien („Zensur“) über denselben nicht einmal informierten. Entsprechend sei eine „bürgerliche Revolution“ von Nöten, wobei „das Grundgesetz“ reformiert werden müsse, „damit das erneuerte, freiheitliche und demokratische marktwirtschaftliche Grundgesetz besser in der Lage ist, den immer wieder zu erwartenden Angriff des Sozialismus auf unsere Freiheit abzuwehren“.
Markus Krall beschwört Feindbild Sozialismus
Krall konstruierte also erst einmal mit dem Sozialismus einen Feind – „Mehrheit der CDU/CSU sind Sozialisten“ –, der den Widerstand in Form einer Revolution begründet. Und behauptete gleichsam mit dem „Verlust der Freiheit“ eine Bedrohung, die radikale Maßnahmen rechtfertigen soll. Ein Mittel, das die extreme Rechte gerne zur Emotionalisierung der Debatte verwendet.
Auch was weiter folgte, klingt wie aus dem AfD-Parteiprogramm abgeschrieben und ist entsprechend nicht weiter von Belang. An einer Stelle lohnt sich jedoch eine nähere Betrachtung.
Markus Krall bei AfD-Sachsen: „Subventionen sind nichts anderes als die Belohnung des Versagens“
Oberthema ist die Einsparung des Staates „auf allen Ebenen“, nämlich unter anderem die Privatisierung der Infrastruktur, ersatzlose Streichung der Energiewende, Steuersenkungen, das Recht des „unbescholtenen Bürgers auf das Tragen von Waffen“ und: „Wir brauchen eine Abschaffung aller Subventionen, weil Subventionen nichts anderes sind als die Belohnung des Versagens.“ Woraus sich für Krall eine Änderung des Wahlrechts ergibt. Am Anfang einer Legislaturperiode solle jeder eine Entscheidung treffen dahingehend, „zu wählen, also das Wahlrecht auszuüben, oder Staatstransfers zu bekommen“.
Jörg Urban, Vorsitzender der AfD Sachsen, denkt über vieles nach
Übersetzt meint er damit Transferleistungen an private Haushalte, die deren ökonomische Situation unmittelbar verbessern. Er spricht also von Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und unter anderen auch von BaföG-Beziehern oder von Unterstützung erhaltenden Alleinerziehenden.
All jene wären, geht es nach Krall, nicht automatisch wahlberechtigt, sondern nur noch derjenige, der einzahlt. Der Volkswirt erklärte diese angedachte Maßnahme damit, dass niemand über die „Mittelverwendung zu seinen eigenen Gunsten mitentscheiden“ dürfe. Das sei „unter normalen Umständen Korruption“. Immerhin dürfe sich jeder frei entscheiden, ob er oder sie wählen geht und im Zweifel unter der Brücke wohnt, oder eben an demokratischen Entscheidungsprozessen nicht weiter teilhat. Das sind die Entscheidungsmöglichkeiten nach dem Krallschen Prinzip.
AfD versucht sich an „dicken Brettern“
Jörg Urban, Vorsitzender der AfD Sachsen, freute sich nach dem Vortrag denn auch, dass er viele Positionen bereits aus dem Afd-Grundsatzprogramm kenne. Was für ihn „durchaus anspruchsvoll“ sei, und wo die Partei „noch dran arbeiten“ müsse, sei die Begrenzung des Wahlrechts auf Leistungsträger. Das würde „gerade im Osten“ nicht einfach und sei „ein dickes Brett“. Er sei aber „gerne bereit, auch weiter zu denken“.
Das heißt, er ist solchen Überlegungen nicht abgeneigt, immerhin geht es um einen „bürgerlichen Freiheitskampf“, um die „sozialistische Bedrohung“ - und ein Kampf ohne Opfer, wo gibt es denn so was?
Seine Wählerinnen und Wähler dürfte dennoch interessieren, was für Jörg Urban „weiter denkenswert“ erscheint. Immerhin lebten Ende 2018 in Sachsen 327.263 Menschen alleine von der sogenannten Mindestsicherung.