Der Realitätsschock des Robert Sesselmann (AFD)
Als erster AfD-Landrat Deutschlands trat Robert Sesselmann im Juni 2023 sein Amt im Landkreis Sonneberg (Thüringen) an und sorgte damit für landesweite Aufmerksamkeit. Mit populistischen Forderungen wie Verhandlungen mit Wladimir Putin, dem Schließen der Grenzen und einem Austritt Deutschlands aus dem Euro hatte er während des Wahlkampfes breite Zustimmung in der strukturschwachen Region erlangt. Doch die Realität des Landratsamtes zeigt schnell: Der Alltag in der Verwaltung erfordert weit mehr als plakative Parolen.
1. Sesselmanns Versprechen: Populismus ohne Substanz
Im Wahlkampf stellte Sesselmann zahlreiche Forderungen auf, die auf den ersten Blick populär, aber bei genauerer Betrachtung unpraktikabel und teils realitätsfern waren:
Verhandlungen mit Putin:
Sesselmann propagierte, dass direkte Gespräche mit dem russischen Präsidenten den Ukraine-Krieg beenden könnten. Doch die Außenpolitik ist nicht die Aufgabe eines Landrats. Seine Forderung unterstreicht eine grundlegende Missachtung der föderalen Zuständigkeiten in Deutschland.
Grenzen schließen:
Die Forderung nach geschlossenen Grenzen zur Reduktion von Migration mag in AfD-Kreisen gut ankommen, ist jedoch auf kommunaler Ebene weder umsetzbar noch sinnvoll. Kommunen sind vielmehr gefordert, Integrationsprojekte zu fördern und bestehende Asylsuchende zu versorgen.
Raus aus dem Euro:
Ein Austritt Deutschlands aus der Eurozone wäre auf Landesebene nicht durchführbar und hätte katastrophale Folgen für die deutsche Wirtschaft, insbesondere für exportstarke Bundesländer.
2. Realität im Amt: Scheitern an den eigenen Versprechen
Nach seinem Amtsantritt musste Sesselmann schnell feststellen, dass die Verwaltung im Landkreis Sonneberg weit komplexer ist, als er es in seinen Wahlkampfslogans suggeriert hatte:
Die Natursteinmauer:
Ein besonders bezeichnendes Beispiel für Sesselmanns Scheitern war die Sanierung einer Natursteinmauer in Sonneberg. Während er groß ankündigte, sich persönlich um die Angelegenheit zu kümmern, scheiterte er daran, den bürokratischen Prozess zu koordinieren. Die Sanierung verzögerte sich erheblich, was zu Unmut in der Bevölkerung führte.
Unzureichende Haushaltsführung:
Sesselmann hatte im Wahlkampf versprochen, die „Verschwendung von Steuergeldern“ zu bekämpfen. Doch als Landrat fehlten ihm klare Strategien, um die Haushaltslage des Landkreises zu verbessern. Tatsächlich zeigte sich schnell, dass die finanzielle Situation des Landkreises nicht durch „Verschwendung“, sondern durch strukturelle Probleme geprägt ist – etwa den Rückgang von Industriearbeitsplätzen und die Abwanderung junger Menschen.
Zusammenarbeit mit anderen Parteien:
In der Praxis ist ein Landrat auf die Zusammenarbeit mit dem Kreistag angewiesen. Doch Sesselmanns polarisierende Haltung erschwerte den Konsens mit anderen Parteien erheblich. Wichtige Projekte blieben deshalb liegen.
3. Symbol für die Unfähigkeit der AfD in der Praxis
Sesselmanns Amtsführung zeigt exemplarisch, warum die AfD trotz ihrer Wahlerfolge auf kommunaler und regionaler Ebene oft scheitert:
Falsche Prioritäten:
Statt sich auf konkrete Probleme des Landkreises – wie den Ausbau der Infrastruktur, die Förderung des Mittelstands oder die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs – zu konzentrieren, fokussierte sich Sesselmann auf ideologische Themen.
Mangel an Fachkompetenz:
Wie viele AfD-Politiker bringt Sesselmann wenig Erfahrung in Verwaltung und Politik mit. Die populistische Rhetorik mag im Wahlkampf überzeugen, versagt jedoch bei der Lösung komplexer Probleme.
Vertrauensverlust in der Bevölkerung:
Viele Bürger, die sich von Sesselmann einen „frischen Wind“ erhofft hatten, zeigten sich schnell enttäuscht. Der Unmut wuchs, als er trotz seiner Forderungen nach Sparsamkeit auf der kommunalen Ebene teure Berater hinzuzog, um einfache Verwaltungsaufgaben zu bewältigen.
4. Langfristige Folgen für Sonneberg und die AfD
Sesselmanns Scheitern hat nicht nur Auswirkungen auf den Landkreis Sonneberg, sondern auch auf die AfD insgesamt:
Verlust an Glaubwürdigkeit:
Während die AfD auf Landes- und Bundesebene weiter an Stimmen gewinnen mag, zeigen Beispiele wie Sesselmanns Amtsführung, dass die Partei in der Praxis oft nicht in der Lage ist, ihre Versprechen umzusetzen.
Gesellschaftliche Spaltung:
Sesselmanns Polarisierung führte zu Spannungen innerhalb des Landkreises. Statt den Dialog zu fördern, trugen seine Aussagen zur Vertiefung bestehender Gräben bei.
Warnung für andere Regionen:
Sonneberg könnte als Negativbeispiel dienen, das zeigt, wie wenig die AfD auf kommunaler Ebene leisten kann. Es bleibt abzuwarten, ob dies potenzielle Wähler in anderen Regionen abschreckt oder ob die Partei dennoch weiter von ihrer Protestwähler-Basis profitieren wird.
Ein Realitätsschock mit Signalwirkung
Robert Sesselmanns Amtsführung als erster AfD-Landrat Deutschlands zeigt, wie realitätsfern die populistische Politik seiner Partei ist. Der Alltag in der Verwaltung erfordert pragmatische Lösungen, fundierte Kenntnisse und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit – Eigenschaften, die in Sesselmanns Amtszeit bislang kaum zu erkennen waren.
Sein Scheitern mag als Warnung dienen: Populistische Parolen mögen Wahlen gewinnen, aber sie lösen keine Probleme. Die Bürger in Sonneberg und darüber hinaus müssen sich fragen, ob sie von einer Partei regiert werden wollen, die zwar große Versprechen macht, aber in der Praxis selbst an kleinen Aufgaben wie einer Natursteinmauer scheitert.