Spendenaufrufe und Solidaritätskundgebungen auf Facebook teilen, Hasspostings kontern, spenden, Deutschkurse geben... können wir helfen, die Situation der Flüchtlinge in Österreich zu verbessern? Ja. Aber wir haben auch gewählt und dürfen uns erwarten, dass jene, die unser Mandat haben, etwas tun.
Mehr als 70 Menschen sind gestern in einem LKW an der burgenländisch-ungarischen Grenze gefunden worden. Tot. Seit mehreren Tagen schon. Und was sie vor ihrem Tod erlebt haben, möchten wir uns lieber nicht vorstellen. Rund um mich herum: Betroffenheit. Solidaritätskundgebungen, Leserbriefe und Postings, die zum Ausdruck bringen, wie grauenhaft, wie inakzeptabel diese Situation ist.
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Manches teile ich auf Facebook, bei manchem Aufruf zur Hilfe beteilige ich mich. Doch das Gefühl, eigentlich nichts getan zu haben, etwas tun zu müssen, was die Situation grundlegend ändert, bleibt. Wir bringen Kleidung, Spielsachen, Koffer und andere Dinge, die wir ohnehin nicht mehr brauchen, zu einer Sammelstelle. Nach langer Überlegung. Denn auch in der unmittelbaren Umgebung sind Flüchtlinge untergebracht, man könnte sie auch direkt besuchen. Doch was dann? Werden sie die Sachen aufteilen? Brauchen sie überhaupt alles, was gebracht wird? Man sieht die Müllberge in Traiskirchen und beginnt zu zweifeln. Organisierte Spenden, beziehungsweise eine gezielte, organisierte Verteilung sind wahrscheinlich besser und zielführender als gut gemeinte private Initiativen.
Andererseits: Jeder kann helfen, wie eine Freundin eindrucksvoll bewiesen hat: Sie hat Willkommenspakete für mehr als 100 Männer organisiert und ihnen überreicht. Die Männer sind derzeit in zwei Linzer Schulen untergebracht. Ganz bewusst hat sie die unmittelbare Umgebung eingebunden und so vielleicht dazu beigetragen, dass sich die ängstliche, abwehrende Haltung des einen oder anderen zu einer wohlwollenden, verständnisvollen wandelt. Jede positive Geste den vielen Menschen gegenüber, die so Schlimmes erlebt haben und nach Europa kommen, in der Hoffnung, hier neu anfangen zu können, ist gut. Auch wenn wir uns nicht annähernd vorstellen können, was diese Menschen erlebt haben, so ist doch klar: Ankommen, das Erlebte verarbeiten, mit viel Kraft einen neuen Anfang wagen trotz vieler Schwierigkeiten ist leichter, wenn man willkommen ist. Wenn man ein Lächeln zur Begrüßung sieht, vielleicht ein kleines Willkommenspaket erhält und einen trockenen, sauberen, sicheren Platz zum Schlafen hat.
„Wir haben gewählt“, sagt mein Mann, „und ich darf mir von jenen, die unser Mandat haben, erwarten, dass sie in unserem Sinn handeln. Dass sie alles unternehmen, um die Situation zu ändern.“ Er hat vielleicht recht.
Jeder muss tun, was er kann. Verstehen, dass Hasspostings niemandem helfen, ist für manche ein großer Schritt. Geben, was man selbst nicht braucht, ist einfach. Geben, was man gerade noch entbehren kann, schon schwieriger. Auf etwas zu verzichten ziehen sehr wenige in Betracht.
Killerfrage: „Würden Sie eine Flüchtlingsfamilie bei sich zu Hause aufnehmen?“ Ich habe keine Flüchtlinge in meine Wohnung aufgenommen. Und doch: Wenn alle dazu bereit wären, wären Zustände wie derzeit in Traiskirchen vermeidbar. Trotzdem brauchte es eine Lenkung, eine Kontrolle und Lösungen. Dafür haben wir unsere Verantwortlichen gewählt.