Trotzdem passt man auf?

Es gibt unausgesprochene Regeln. Ich will niemand verletzen und will auch nicht verletzt werden, aber wenn es passiert, ist es normal, wenn man Profi ist. Auch einem Tischler kann es passieren, wenn er auch noch so gut aufpasst, dass er sich in den Finger schneidet, da kommt man nicht aus.

Im Wrestling gibt es auch die Gattung der Shooter (Schießer), welche die Absprachen vor dem Kampf ignorieren und real dem Gegner Schmerzen zufügen wollen. Dies kann der Disziplinierung von Anfängern dienen oder einfach auf persönlichen Animositäten beruhen. Auch sollen so aufmüpfige Wrestler zur Raison getrieben werden.

Schießer gibt’s häufig?

Anderes Thema, kommt immer wieder vor. In diesem Sport, wo es ohne Show nicht geht und Ausstrahlung, ist das genauso wichtig wie Leistung. Am einfachsten war es im Amateursport, da hab ich meine zwei Punkte gebracht und wie das Match war, war egal. Weder für den Verein noch Offizielle. Wenn ich aber im Profisport nur zwei Punkte bringe und keiner ruft oder schreit, sondern es gibt nur Negativrufe, sagt der Veranstalter, dass er den Langweiler nicht braucht.

Haben sich die Verhältnisse verschoben zwischen damals, wo ein Ringer mit Können trotz schwachem Charisma eher erfolgreich wurde, zu heute geändert?

Beide haben Berechtigung, alles hat sich nur ins Unendliche gesteigert. Früher, bis 90, war ein Cowboyhut schon eine Attraktion und ein paar Jahre später dauerte es 3-5 Minuten, bis jemand seine Garderobe ausgezogen hat. Amerikanische Mentalität, das kommt drüben gut an und wurde bei uns belächelt. Ringkampfstile zwischen Europa und Amerika waren unterschiedlich. Leistung herrschte in Europa vor. Wer nix kann, kann nix werden. Muss nicht unbedingt Weltspitze sein, aber wenn er keine Eier hat, wird er auch nie weiter kommen. Habe während meiner Karriere in Graz am wenigsten gewonnen, weil die ganze Veranstaltungsserie auf mir gelastet hat. Ich war vorne dabei, hab in 17 Jahren aber nur 1-2 mal das Turnier in Graz gewonnen. Leben lassen muss man den Lokalmatador, aber gewinnen lassen nicht. Als ich zb viel in Afrika und Asien machte, musste mir keiner sagen, dass ich den Lokalmatador, der 25000 Leute ins Stadion zieht, zeigen lasse, was er kann. Im letzten Moment habe ich ihn knapp besiegt. Das Publikum war gefesselt, aber den Sieg aus der Hand geben, das hätte mein Prestige zerstört, meine Zukunft. Man kann ihn glänzen lassen, das ist der Job, dass ich den Hero leben lasse mit 70 Kilo. Da kann er mir eigentlich nicht viel tun, denn wenn ich ihn auflaufen lassen, wäre das wie ein Moped gegen einen Panzer. So ist es. Wenn ich den Mann gut verkaufe, leben lasse und er hat einige knappe Situationen, dann ist alles ok und wir gehen zufrieden heim. Weil er war ja so gut, aber leider…Damit ist alles gesichert. Komme gut weg und nächstes Engagement steht. Heute kann ein Mann mit 75 Kilo sicher sehr viel anrichten, man lässt ihn was zeigen und ich verkauf es gut. Aber den Sieg selber gebe ich nicht her.

Brauchten sie eine härtere Gangart als Erfolgsrezept für Ihre Matches?

Nein, überhaupt nicht, wenn einer fit ist, dann geht ein gutes Match automatisch. Wenn einer nix kann schauts auch nach nix aus und tut fürchterlich weh. Wie gut ist der Mann, was kann er, was macht er. Je besser er ist, desto weniger muss ich zurückstecken. Wenn es irgendwie geht, habe ich die Kontrolle, dann lasse ich ihn auch glänzen, weil es kann ein Bomben-Rematch geben. Alles kein Betrug oder Schmäh. Wenn ein Spiel 90 Minuten mies ist und in der Verlängerung wird das Knödel eingschossen, dann sind die vorigen 90 Minuten vergessen, alle gehen zufrieden heim und sind glücklich.

Zurück zu den Anfängen, wie fing Ihre Karriere an?

Mit 14 hab ich zum Boxen angefangen, bis 21 aktiv, Pause bis 25-26. Mit 25 Amateurringen für 1-2 Jahre. Danach Wechsel ins Profilager.

Wie rutscht man da rein? War Catchen in Österreich bekannt?

Nein, überhaupt nicht. Bin 43 geboren, hab 57 zum Boxen angefangen und war im Julius-Raab Heim als Lehrling und habe in Graz Mechaniker gelernt. Dort war ein Boxklub, das hat mir getaugt, so hab ich angefangen. Unter anderem hat auch der Heeresklub Graz dort trainiert und da durfte ich mitmachen. Der Trainer meinte, ich hab Talent und mit 15 war ich schon in der Kampfmannschaft. Mit 16 bin ich als einziger Österreicher zum Senior erklärt worden, weil ich in den unteren Klassen keine Gegner mehr gehabt habe, alle weggenagelt. Mit 17 war ich in der Nationalmannschaft in der Schwergewichtsklasse.

Hatten Sie Vorbilder im Boxsport?

Sicher gab es die, aber man hat nicht viel gewusst, es hat nicht viel gegeben außer Illustrierten. Ein Foto von Joe Lewis gegen Schmeling…Lokalmatadoren gab es keine. Kein Fernsehen, kein nichts. Johannson und Patterson oder Liston kamen nachher, aber Österreich hatte nichts. Einmal war ich in Kaiserslautern, da hat es schon einen Ausschluss wegen disziplinären Verfehlungen gegeben. Aber eine lustige Geschichte. Dort bin ich geblieben, wollte gegen Milbenberger antreten, der Europameister war. Habe mit ihm trainiert, aber hab wieder gehen müssen, weil ich mit 18 keine Aufenthaltsgenehmigung hatte. Danach war ich 2 Monate auf dem Rummel, auf der Messe gegen jedermann: Wer mag, wer kann? DA bin ich das erste Mal, nach meinem Gefühl, Millionär geworden, weil ich hatte damals, was unwahrscheinlich war, 250 – 400 DM am Tag verdient, was für mich unvorstellbar war, nachdem ich als Lehrling 95 Schilling hatte.

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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