Ab und an komme ich mir wie ein Internet-Dinosaurier vor. Godwin’s law ist ein Beispiel dafür.
Für alle, denen das kein Begriff ist:
"Godwin’s law (englisch für ‚Godwins Gesetz‘) ist ein Begriff aus der Internetkultur, der von dem Rechtsanwalt und Sachbuchautor Mike Godwin 1990 geprägt wurde. Es besagt, dass im Verlaufe längerer Diskussionen, beispielsweise in Usenet-Newsgroups, mit zunehmender Dauer die Wahrscheinlichkeit, dass jemand einen Nazi-Vergleich einbringt, sich dem Wert Eins annähert. Ähnlich wie Murphys Gesetz enthält es eine sarkastische oder auch ironische Dimension."
Quelle: Wikipedia
Entscheidend: mit zunehmender Dauer...
Internetneulingen mag das wie eine Regel aus einer längst vergangenen Zeit vorkommen. Warum?
Nun, gegenwärtig - egal wo, in Online-Zeitungen, Kommentaren, ARD, wo auch immer - steht der Nazi-Vergleich mehr oder weniger am Anfang jeglicher Diskussion, jeden Textes, jeden Kommentares.
Kaum hat jemand auch nur Miep gemacht, kracht schon ein Nazi auf die Theke. Keiner ist davor gefeilt als Nazi bezeichnet und abgestempelt zu werden. Ob der Präsident der Vereinigten Staaten, ein Kritiker freier Zuwanderung in Sozialsysteme, von Lohndumping oder was auch immer. Hundeliebhaber, Bananesser, Zopfträger/innen, ... - Nazi, Nazi, Nazi.
Das bedeutet nicht nur eine Verharmlosung der historischen Nazis, eine Verrohung der "Streitkultur", nein, so wird eine Hass-Kultur regelrecht gezüchtet.
Das hat mich veranlasst, etwas genauer hinzusehen.
Die Entwicklung:
- Ukraine, die Unterstützung von eindeutig faschistischen militanten Gruppen und deren Verharmlosung als "Freiheitskämpfer" und "Aktivisten" führt zu massiven Vorwürfen seitens der Leser. Diese werfen zu Recht sowohl Politikern (insbesondere den Grünen) fast allen Medien und den Öffentlich-Rechtlichen vor, sie würden Faschisten und Nazis verharmlosen.
- Das Imperium schlägt zurück. Die Propagandazentralen entwickelt eine Gegenstrategie. Kritiker werden gehässig als Putin-Versteher tituliert und ihnen wird unterstellt, sie seien es, die rechtslastig sind.
- 2015 - Im Zuge der Grenzöffnungen und der Migrantenkrise werden Kritiker der Herrschaftspolitik umfassend als Nazis abgestempelt.
- Dem sich in den Kommentarspalten offenbarenden Unmut sowohl über die politischen Entscheidungen als auch über die Etikettierung wird mit Schließung vieler Kommentarspalten begegnet.
- Die Beiträge vieler Journalisten weisen immer stärker zwei Elemente auf: Gehässigkeit den Lesern gegenüber und absolute Regierungstreue, Hofberichterstattung.
- Darauf folgte die nächste Verdrehung. Nicht die Journalisten und einiger Politiker seien gehässig, das Nezt würde vielmehr von Hasskommentaren geflutet, seitens der Leser in den Kommentarspalten.
- Immer mehr Kommentarspalten werden geschlossen und die Politik beginnt aktiv zu werden.
- Momentan funktioniert Hofberichterstattung fast ohne Kritik, da Kommentare fast durchgehend abgeschaltet sind.
- Politik und Medien meinen, sie hätten die Deutungshoheit zurück.
EU-weit werden Gesetze erlassen, die das Internet immer weiter regulieren und alternative kritische Stimmen verunmöglichen. Wer das und die undurchsichtigen Lobby- und EU-Machenschaften kritisert, der ist - genau, sie wissen schon, ein Nazi.
Das für mich Erschreckende ist die darin wohnende Projektion.