Interview mit Spooky, meinem Leben

So sieht es also aus-jenes Wesen, das sich mir als mein Leben vorstellt. Eine irrwitzige Kreatur, die verblüffende Ähnlichkeit mit James Dean, Jim Morrison, Alf und Sponge Bob in einer Person hat. Eine wahre Schönheit. Das Wesen nennt sich „Spooky“

„Welch´ treffender Name“, schießt es mir in den Sinn. Ich reiche dem verrückten Etwas meine Hand: „Schön, dich kennenzulernen“, sage ich oder besser gesagt die Höflichkeit in mir. Ich weiß nämlich noch nicht so recht, was ich von der Begegnung halten soll. Spooky murmelt süffisant: „Mit deinem Wiedererkennungswert hapert´s a bissal, gell? Wir kennen uns doch schon seit 33 Jahren.“ „Aha“, entgegne ich-wohlwissend, dass jeder Versuch einer Rechtfertigung einem Kamikaze-Unterfangen gleicht. Der Einfachheit halber nicke ich mit dem Kopf und denke „die Oberg´scheiten sind mir echt die allerliebsten“. Doch Spooky scheint sich ohnehin nicht weiter für meinen vermeintlichen Fauxpas zu interessieren. Er ist vielmehr darin vertieft, ein Ambiente zu erschaffen. Ein würdiges Ambiente, das in seinem Fall aus 2 Flaschen Bier (er muss sich ja mit mir unterhalten) und 2 Flaschen Jack Daniels (er muss sich ja länger mit mir unterhalten) besteht. Während er einen kräftigen Schluck aus der Bierflasche nimmt (ich sehe es mal als Kompliment, dass er nicht schon zu Beginn des Dialogs mit härteren Geschützen auffährt) drapiert er auf einem quadratischen Stückchen Papier leicht süßlich riechende Pflanzenextrakte. „Für die G´sundheit“, gluckst es aus ihm heraus. „Sag mal experimentierst du eigentlich immer mit psychotrop wirksamen Substanzen, wenn du das Drehbuch für meinen Alltag schreibst?“, frage ich halb belustigt, halb entsetzt - jedoch nicht sonderlich verwundert.  „Fast alle Künstler helfen ihrer Kreativität ein wenig auf die Sprünge“, weiß Spooky ein einfaches „Ja“ mit blumigen Worten auszuschmücken.  „Künstler, also? Pffff…“ Ich kann mir ein Augen-Rollen nicht verkneifen und bemühe mich um einen deutlich als solchen verifizierbaren, ironischen Unterton. Spooky befindet das Thema als ausdiskutiert und befüllt kommentarlos eine Schüssel mit Gummibärchen. Ich verhalte mich ruhig und beobachte sein künstlerisches Dasein. Er beginnt mit der Sortierung nach Farben. Penibel pickt er lauter rote Gummibärchen aus der Schüssel. Mit gespenstischer Perfektion ordnet er sie nacheinander zu einer Strichgeraden an. „Willkommen bei der Bären-Garde 3.0!“, denke ich und schüttle ungläubig den Kopf. Ich kann mir ein „brauchst du eine Wasserwaage?“ nicht verkneifen.  Spooky lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und fängt tendenziell provokant mit der grünen Selektion an. Selbes Spiel, andere Farbe, gleicher Irrsinn.  „Jetzt mach mal keinen auf oberstrukturiert“, platzt es aus mir heraus. „wenn du meinen Alltag gestaltest, gehst du viel chaotischer vor. Ungeachtet dessen, dass ich es lieber ruhig und geordnet hätte.“  Spooky ist inzwischen dabei eine gelbe Garde zu konstruieren. „Ordnung ist etwas für Amateure, ebenso wie Pläne. Reiner Anfängerkram-ein regelrechter Pimperlschas! “„Dass du nicht viel von Plänen hältst, ist mir auch schon aufgefallen“, zische ich, mir meine vergangenen Lebensjahre im Schnelldurchlauf in Erinnerung rufend. „Deine Herumnörglerei geht mir tierisch auf den Sack“, brummt Spooky und untermauert seinen Grant, indem er mit beiden Fäusten lautstark auf den Tisch schlägt. Ein Teil der Garde fällt in bunter Wiedervereinigung zu Boden.

Spooky fragt: „Hättest du alle bisher passierten Stationen deines Lebens tatsächlich anvisiert, wenn dein Zug immer nach Plan gefahren wäre?“  Ich stelle mich dumm und zucke mit den Schultern: „keine Ahnung!“ Spooky verbündet sich daraufhin energisch mit Jack. Den Whiskey zu seinem engsten Vertrauten erklärend versucht er mir den tieferen Sinn seiner Taten näher zu bringen: „Stell dir mal vor, es würde immer alles so laufen, wie du dir das vorstellst. Könntest du dich dann weiterentwickeln? Oder würdest du nicht viel eher auf der Stelle treten? Aus Angst? Aus Bequemlichkeit? Aus mangelnder Risikobereitschaft?“ Ich glaube zu verstehen, worauf er hinaus will, kriege aber nicht mehr als ein nichtssagendes „mh“ aus mir heraus. Spooky seufzt und sympathisiert weiter mit Jack. „Es ist leicht, eine Route ins Auge zu fassen und nach vorgefertigtem Plan von A nach B zu fahren. Ein müheloses Unterfangen, keine Frage. Nur läuft man dabei der Gefahr, vieles zu übersehen. Der Rest des Alphabets in Form von kleinen Buchten, überraschenden Seitengassen, unentdeckten Pfaden und vielem mehr, das unter den Begriff „Neuland“ fällt -bleibt einem dabei gänzlich verwehrt. Ist es da nicht besser, zwischendurch eine Hürde in den Weg geräumt zu bekommen? Eine Hürde, die die geplante Fahrt einerseits zwar gröber durcheinander rüttelt, sie möglicherweise auch ganz zum Erliegen bringt. Eine Hürde, die andererseits aber auch zur Reflexion anregt, zum Innehalten und zur Neuorientierung.“ Spooky schaut in sein Whiskeyglas. Es bleibt nicht beim Schauen. „Wären notwendige Kurskorrekturen möglich, wenn man nicht zwischendurch gewaltig eine auf den Deckel bekäme?“„Du willst mir aber nicht ernsthaft weismachen, dass Probleme das Leben bereichern?“, schnauze ich den immer noch sympathisierenden Möchtegern-Philosophen an. „Doch, genau das will ich“, kontert Spooky fast schon trotzig. Ich: „Ok. Das nächste Mal, wenn eine Hürde vor mir auftaucht, hänge ich mir ein Schild um: Stolze Besitzerin von Problemen. Suche Gleichgesinnte zwecks gemeinsamer Freudentanzaufführung.“Spooky: „Ich mag´s nicht, wenn man sich über mich lustig macht“Ich: „Geh bitte, jetzt spiel nicht die beleidigte Diva. Schließlich warst du es, der mir Galgenhumor gelehrt hat. Dafür bin ich dir sogar dankbar-macht viele, schwierige Situationen erträglicher.“ Spooky hebt verlegen ein paar gefallene Garde-Bären vom Fußboden auf und drapiert sie neben Jack. Auf die manische Selektion verzichtet er-das Kompliment hat´s ihm offensichtlich angetan. „Ich finde, du bist eh eine gute Schülerin“, zeigt sich Spooky plötzlich von seiner streichelweichen Seite „nur in Punkto Entscheidungen treffen musst du noch ein bisschen die Schulbank drücken. Aber keine Sorge, ich werde dich schon noch in Situationen hineinmanövrieren, in denen dir gar nichts anderes übrig bleibt.“„Ich freue mich“, sagt der Sarkasmus in mir und freut sich überhaupt nicht. „Und was mache ich, wenn sich vor mir verschiedene Wege offenbaren und mir keiner davon wirklich erquickend erscheint? Wenn sich Bauchgefühl und Kopf um eine Entscheidung duellieren und letztendlich keiner der beiden zu einem adäquaten Entschluss kommt?“, frage ich. „Dann“, schlussfolgert Spooky „bleibt dir nichts anderes übrig, als einfach nur einen Fuß vorzusetzen-ungeachtet davon, wo du tatsächlich hin steigst. Die Richtung ist manchmal nämlich nebensächlich. Wichtig ist nur, dass du in Bewegung bleibst. Dass du dich nicht von etwaig auftauchenden Hürden entmutigen lässt und dir immer im Hinterkopf bewahrst, dass Hürden wie Krafttraining für den Geist sind. Sie machen dich stärker und zähmen auf lange Sicht betrachtet auch deine Ängste. Und irgendwann wirst du feststellen, dass du in der Lage bist, sämtlichen Witterungsbedingungen Stand zu halten. Der ursprünglich angepeilte Weg von A nach B wird dir dann gar nicht mehr erstrebenswert erscheinen. Weil er von Vorherein ein nicht zu dir passender Pimperlschas war. Vastehst?“

1
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:13

1 Kommentare

Mehr von Süwal