Heute mal aus Achselhaaren...
Es ist faszinierend, woraus Frau sich heute so ihre Opferrolle flechten kann. Ob Frau heute gleichberechtigt studieren oder Kinder auch ohne angeheirateten Gatten bekommen kann, wird doch vollkommen überbewertet. Unter dem Motto "Wie frei sind Frauen wirklich?" hat sich die Bloggerin Kristina Lang einem feministischen Experiment unterworfen. Die Freiheit der modernen westlichen Frau soll der Nagelprobe unterzogen werden. Oder eher der der Achsel- und Beinhaar-Probe. Ein Jahr lang ließ sie wachsen, was – wie Frauen sich in Beauty-Magazinen von anderen Frauen einreden lassen – nicht wachsen darf. Bikini-Zone? "Scheiß egal" sagte sich die Bloggerin, deren Eigenwerbung so erfrischend originell verspricht "Es lohnt sich dennoch, sich durchzuklicken, denn es gibt es hier höchst Erquickendes!". Rocco Silfredi wird sich freuen, wenn er mich künftig am Strand sieht, dachte sie wohl, und was passiert statt dessen?
Scheiße. Sie durfte sich ihrer Unfreiheit vergewissern. Nur weil nicht jeder gesagt hat „Toll, du hast Beine wie ein Yeti“. Im Gegenteil. Männer, die beim Blick auf ihr ansonsten liebevoll gepflegtes Äusseres den Augenkontakt suchten, bekamen bei Sonderung ihrer beharrten Schenkel unterm Sommerkleid Brechreiz. Nach ihrer eigenen Beschreibung, der man auf Youtube detailliert folgen kann.
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Ich bin begeistert. Das ist feministische Unterdrückungsforschung von der editionf und Emma nur träumen können. Vergesst Burkazwang im Iran und Fahrverbot für Frauen in Saudi Arabien oder Vaginalverstümmelung in Mittelafrika. Endlich wissen wir, wie schlimm es um die Frau im unzivilisierten Westen steht.
Vielleicht werde ich demnächst mal die Unfreiheit von Männern erforschen, indem ich im Kot meines Neufundländers bade. Und wenn jemand in der U-Bahn die Augen verdreht, rufe ich lauthals „Shit-Shaming“. Aber ehrlich gesagt, dafür reicht es für die meisten Männer in hochdotierten Jobs schon, wenn sie mit dem 4-Minuten-Ei den Schlips verfehlt haben.
Aber vielleicht habe ich im Video dieser Frau einfach nur den Punkt übersehen, wo die patriarchale Ästhetik-Polizei kam, und sie für ihr Vergehen eingesperrt und mit 50 Stockschlägen bestraft hat.
Vielleicht sollte jemand mal den kleinen Feministinnen-Mädchen erzählen, was "Freiheit" heißt.
Ich kann schon mal soviel verraten, was Freiheit nicht heißt. Nämlich, dass jeder einen Orden verliehen bekommt, der gegen Konventionen verstößt. Da geben sich jene, die sich aus Mangel an Selbstbewusstsein krampfhaft an die Konventionen klammern auch bei Männern viel Mühe, um das zu verhindern. Die Band "New Model Army" brachte es in den 80ern mit ihrem Song "51st State" sehr schön auf den Punkt
"Here in the land of opportunity, watch us revel in our liberty
Where you can say what you like, but it doesn't change anything"
Freiheit heißt leider meisst nicht mehr, als dass man es trotzdem tun darf ohne bestraft zu werden. Schade, ich weiß. Vermutlich hätte ich sonst schon eine Latte Orden im Schrank und mehr Kerben in der Bettkante als Casanova, aber leider konnte man auch die meisten Frauen noch nicht von dieser Definiton von Freiheit überzeugen.
Die Freiheit gegen Konventionen zu verstoßen, hat schon immer eine Portion Rückgrat erfordert. Das ist für Männer nicht anders. Aber vermutlich zeigt sich der Penisneid am deutlichsten daran, dass Frauen in ihrer Bewunderung für das männliche Geschlecht glauben, bei Männern wäre dieses Rückgrat als Paket der Grundausstattung ohne Aufpreis enthalten, auch wenn bestimmt 90% der Männer nur deshalb erfolgreich sind, weil sie stromlinienförmig angepasste Arbeitstiere sind, die mehr durch Quantität als Qualität zu überzeugen wissen. Nonkonformismus wird leider auch bei Männern selten mit der Leitung einer Bankfilliale belohnt.
Aber moderne Frauen dürfen gleich heulen, wenn nicht jeder ihrer Konventionsverstoß, den sie als soziales experiment starten gleich mit dem Grimme-Preises belohnt wird.
Klar, es muss schwer sein für eine Frau, die sich seit dem 13 Lebensjahr enthaart und offensichlich mehr Wert auf eine makellose Hülle als ein interessantes Inneres gelegt hat, wenn die Menschen, die sich wegen ihres makellosen Äußeren interessiert gezeigt haben, plötzlich abwenden, aber das hat leider nichts mit der "Frage oder Unfrei" zu tun.
Nebenbei bemerkt: In meiner Jugend waren Achselhaare normal. Die Österreichische Tänzerin Renate Graziadei, mit der ich 1995 meine Edward Albee Interpretation „Etwas über Tiere“ inszeniert hatte, meinte, es wäre ein Insiderwitz unter Tänzern, dass man deutsche Tänzerinnen an ihren Achselhaaren erkennen würde.
Ich will mich jetzt nicht darüber auslassen, wann ich die erste Frau kennengelernt habe, die halsabwärts komplett haarbefreit war, aber ich sage mal soviel, es war zweifellos nicht der Grund sich überhaupt mit ihr einzulassen.
Was ist schon Meinungsfreiheit, gegen die Freiheit Schönheitsideale zu ignorieren?
In meiner Jugend war es auch ein Zeichen feministischen Selbstbewusstseins, sich nicht darum zu kümmern, ob irgend ein oberflächlicher Pisser wegen vermeintlicher optischer Makel Würgreize bekommt. Als Mann habe ich mir diese Freiheit auch rausgenommen und mußte leider damit leben, dass die von mir favorisierte Klassenkameradin Klamotten-Shaming vom Feinsten betrieb, als sie einem gemeinsamen Freund gestand "Der Lutz sieht ja eigentlich echt heiss aus, aber wie der rumläuft...".
Aber wenn modernen Feministinnen, wie die Hotpants-Debatte des letzten Jahres zeigte, die optisch appetitliche Verpackung ihrer weiblichen Reize wichtiger findet, als innere Werte, dann scheint Selbstbewusstsein hier sowieso eine Mangelware zu sein.
Tja, wenn die gute Frau allerdings ein so großes Problem damit hat, wenn ihre Beinbehaarung eines Yetis keinen allgemeinen Jubel auslöst, dann sollte sie vielleicht doch das tun, was inzwischen auch Hipster und Metrosexuelle für normal halten und alle Haare entfernen, die nach gängigen Schönheitsideal als unattraktiv gelten. Oder sie sucht sich andere Freunde, denn ich kann versichern, es gibt durchaus Menschen, die auf sowas nicht viel wert legen, aber ich vermute, die sind ihr dann doch zu unattraktiv, weil die sich die gleiche Freiheit rausnehmen, auf Schönheitsideale zu scheißen.