Amerika ist im Wahlfieber.
Beim Caucus stimmen Parteimitglieder bei vielen kleinen Treffen über ihren Wunschbewerber ab. Die Vorwahlen sind seit Montagabend in vollem Gange und Iowa mit seinen 99 Counties, traditionell der erste Staat in dem gewählt wird, hat sich auf Seiten der Republikaner mit Ted Cruz für seinen bevorzugten Präsidentschaftskandidaten entschieden. Gegen alle Erwartungen schlug der den Favoriten aller Umfragen, Donald Trump, um 3,4 Prozentpunkte. Insgesamt kam Cruz auf 27,7 Prozent der Stimmen, Trump auf 24,3 Prozent. Bei den Demokraten gab man mit übersichtlichen 0,2% Hillary Clinton knapp den Vorrang. Gesamtzahlen hier: 49,8% für Clinton, 49,6% für Sanders.
Während der Agrarstaat Iowa bis in die späten 60er als republikanische Hochburg galt, konnte man seitdem von einem Wandel zum „Swing State“, also einem relativ ausgewogenen Verhältnis zwischen der Wahl von Republikanern und Demokraten, sprechen. Seit 1988 hingegen gewannen beinahe ausschließlich Demokraten die Wahl, wobei hier George W. Bush die Ausnahme darstellte. Im Jahr 2004 gewann dieser, denkbar knapp mit 10 000 Stimmen Vorsprung, die Wahl.
Der Ausgang der Vorwahl in Iowa in diesem Jahr war also keineswegs vorhersehbar. Umfragen sahen Trump, der ebenso wie Ted Cruz (und neun weitere Aspiranten) für die Republikaner kandidierte, lange vorne.
Doch so klar, wie die Umfragewerte im Vorfeld glauben machen wollten, fiel die Wahl dann doch nicht aus. Auf Seiten der Demokraten war in der Nacht vom prognostizierten klaren Vorsprung Clintons nicht mehr viel zu erkennen. Die Auszählung war spannend wie ein Krimi. Prozentpunkt um Prozentpunkt konnte Sanders aufschließen. Und bei den Republikanern blieb auch der, schon im Vorfeld von Donald Trump selbst verkündete, große Triumph aus. Die wählten lieber den solideren Cruz.
Trump
hatte den Wahlkampf im Vorfeld vor allem mit lautem Getöse, Polemiken, Beleidigungen gegen Journalisten und andere Kandidaten geführt. Medienmensch und Marktschreier durch und durch, verfolgte er das Konzept „Aufmerksamkeit um jeden Preis“. Die Umfragewerte gaben ihm Recht. Das inhaltliche Vakuum vermochte er gekonnt mit kalkuliertem Eklat zu füllen. Die zunehmende Existenzangst, die in Amerika ebenso wie in Europa grassiert, auch sie hat ihren Anteil an Trumps Siegeszug. Wo die Menschen ihre Rechte und Chancen schwinden sehen, stimmen sie, vor allem wenn Bildung und Maß fehlen, mit den Füßen ab. Und niemand trampelte lauter durch den Wahlkampf als Trump.
Dabei hatte auch er Schwierigkeiten zu verzeichnen. Die Konservativen mochten die Tatsache, dass Trump bereits zweimal geschieden wurde ebenso wenig, wie seinen Mangel an Bibelfestigkeit. Für republikanische Kandidaten gehören die Evangelikalen jedoch zu den wichtigen Wählergruppen. Wie ein roter Faden zogen sich sexistische und rassistische Äußerungen durch Trumps Wahlkampfreden. So beschimpfte er Frauen allgemein, gerne aber auch Journalistinnen die ihm zu kritisch waren, offen als „Schwein“, „Hund“, „Schlampe“, „widerliches Tier“. Trumps rhetorische Grobschlächtigkeit kannte hier keine Grenzen. Der Aussage, alle Frauen seien „Goldgräber“ und es sei eh gleich, was Frauen zu sagen hätten, solange sie nur „jung seien und hübsche Ärsche hätten“ folgten wahlweise Belustigung und Empörung. Für seinen Rassismus war Trump schon vorher bekannt, verlor sogar seine NBC-Show „The Celebrity Apprentice“ nach einem seiner Ausfälle. Die Aussagen hier lauteten u.a., dass ein großer Prozentsatz, ja sogar die Mehrheit, der Einwanderer Vergewaltiger, Mörder und andere Kriminelle seien.
Diese Aussagen störten die selbsternannten Konservativen bisher jedoch offenbar weniger als Trumps Bekenntnis, „Gott niemals um Verzeihung gebeten“ zu haben, oder die Tatsache, dass er Bibelstellen schon mal falsch zitierte.
Dank Trumps Pöbeleien geriet der zweite relevante Kandidat der Republikaner, Ted Cruz, 2003 der bis dato jüngste Generalstaatsanwalt in einem US-amerikanischen Bundesstaat, sowie der erste hispanicstämmige Generalstaatsanwalt von Texas, zumindest hierzulande beinahe völlig in Vergessenheit. Dabei sahen die Umfragen Cruz durchaus auch vor der Wahl noch gut im Rennen. Umfragen in Iowa schätzten die Zustimmung für Trump auf 28%, während sich immer noch rund 23% für Cruz aussprachen. Eine Fehleinschätzung.
Cruz
füllte die Rolle, der Trump nicht gewachsen war und gab den klassischen Konservativen, Liebling der Evangelikalen, die in Iowa einen großen Teil der Wahlberechtigten ausmachen. Demonstrative Bescheidenheit und Präsenz vor Ort galten als seine Stärken, die ihn zum Liebling der Tea-Party-Bewegung machten. Als Gegenleistung für diese Unterstützung versprach er in seinen Wahlreden schon mal die „totale Zerstörung der IS-Miliz“ und ein Zurücknehmen der Verträge mit dem Iran ebenso wie eine Aufhebung von „Obamacare“. Cruz steht für freien Waffenbesitz und gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und bittet bei seinen Auftritten regelmäßig um Gebete für seine Präsidentschaftskandidatur.
Auch bei den Demokraten hatte sich schon vor der Wahl in Iowa der Wahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur auf zwei Bewerber reduziert. Es galt hauptsächlich, zwischen Hillary Clinton und Bernie Sanders zu entscheiden.
Sanders,
gestartet als Außenseiter, hatte in den letzten Wochen und Monaten in den Umfragen deutlich aufgeholt. Dies galt vielen nicht unbedingt als Votum für Sanders, sondern eher als Misstrauensvotum gegen Clinton. Sanders, mit seinen Positionen bei vielen Amerikanern als „Sozialist“ verschrien, hatte man daher im eher konservativ-religiösen Iowa kaum Chancen ausgerechnet. Tatsächlich positionierte er sich deutlich weiter links im politischen Spektrum als Clinton.
Er stimmte im Gegensatz zu ihr gegen den Irak-Krieg, gegen Bankenhilfen, gegen den Patriot Act, war im Gegensatz zu Clinton bereits vor der Präsidentschaftskandidatur ein Verfechter der gleichberechtigten Ehe für Homosexuelle, spricht sich für eine Begnadigung Edward Snowdens sowie für eine Legalisierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken aus. Während Clinton für ein militärisches Eingreifen in den Syrienkonflikt steht, hat sich Sanders klar dagegen ausgesprochen. Dies gilt auch für Internet-Zensur in Form von SOPA und das Freihandelsabkommen TTIP (denn ja, auch in Amerika regt sich Widerstand dagegen), denen Sanders, im Gegensatz zu Clinton, kritisch gegenübersteht. Außerdem gilt Sanders, anders als Clinton, als Gegner der Todesstrafe.
Wer sich
Clintons
Wahlprogramm ansieht, findet überhaupt eine Menge Überschneidungen mit konservativen Wahlkampfthemen. Und auch die Antipathien, die ihr entgegenschlagen, kommen nicht von ungefähr. So wurden schon mal Menschen der „Working Class“ für Wahlkampfzwecke vor die Kamera geholt, um vermeintliche Volksnähe zu suggerieren. Das falsche Lächeln in diesen Situationen mochte man ihr ebenso wenig abnehmen, wie das Interesse am Normalverdiener. Alles wirkte ein wenig steif, immer etwas zu aufgesetzt. Und angesichts Clintons eigener Herkunft und des eigenen finanziellen Backgrounds zudem wenig glaubwürdig. Auch ist Clintons rigide Haltung in der Frage „War on Drugs“, also Krieg gegen Drogen, oder besser gegen Menschen im Besitz von Drogen, äußerst bedenklich. Der Krieg gegen Drogen ist in Amerika vor allem der Krieg gegen den armen, vornehmlich schwarzen, Teil der Bevölkerung. Wer arm ist, greift eher zu Drogen oder fängt an, damit zu handeln. Wer mit Drogen erwischt wird landet für eine horrende Dauer hinter Gittern. Betrieben werden diese Gefängnisse nicht selten privat und für Profite. Diese Verquickung von Politik, Gefängnisprivatisierung und wachsender Armut hat dazu geführt, dass man im Bereich der Drogenkriminalität von Masseninhaftierungen sprechen kann. So ist Clintons „War on Drugs“ auch eigentlich ein „War on the poor“.
Das Ergebnis von Iowa ist ein erster Hinweis auf mögliche Erfolge oder Misserfolge der Präsidentschaftskandidaten, entschieden ist damit jedoch noch nichts. Seit 1972 hatte die Vorwahl in Iowa eine 43%ige Erfolgsrate darin, den finalen Präsidentschaftskandidaten für die Demokraten vorherzusagen und eine 50%ige Genauigkeit hinsichtlich des Kandidaten der Republikaner. Wer für die Parteien nun letztendlich ins Rennen gehen wird, ist damit noch nicht entschieden. Ein Hinweis darauf, was Amerika bis zur Präsidentschaftswahl am 8. November erwartet, ist es allemal.
(Es handelt sich um die vorläufigen Endergebnisse um 7.30 Uhr MEZ laut New York Times)