Volker Beck, Abgeordneter der Grünen, ist mit Drogen erwischt worden. Crystal Meth soll es gewesen sein. Um genau zu sein, so genau, wie es eben nur spekulative Berichte schaffen: 0,6g des synthetisch hergestellten Methamphetamins, das aufputschend wirkt und den meisten eher von furchteinflößenden Vorher-Nachher-Bildern geläufig sein dürfte. Eine Droge, die vornehmlich mit weißem Prekariat assoziiert wird. Ein Großteil der Reaktionen ist schlicht erbärmlich. Die Bigotterie, die der Empörung innewohnt, vor allem bei denen, die sich ganz besonders hämisch freuen, weil es einen Politiker des ungeliebten Spektrums getroffen hat (und nein, ich bin alles, nur kein Grünen-Wähler), hat ein Ausmaß angenommen, das übelerregender kaum sein könnte. Es ist eine Sache, einen Menschen auf Basis von Inhalten zu kritisieren. Möglichst sachlich und fundiert. Nur geht es hier nicht um Inhalte. Schon gar nicht denen, die am Morgen ihren Kaffee trinken, mittags Energydrinks und Wachmacher schlucken, nach Feierabend ein Bier kippen, sich die nächste Zigarette anzünden und nun angewidert auf den gefallenen Beck zeigen und „Hab‘ ich doch gleich gewusst, dass der nichts taugt“ brüllen. Es sind dieselben Menschen, die sich am Stammtisch tags drauf, bei Wodka und Korn, darüber beschweren, dass die Politik ständig in ihr Privatleben eingreift und ihnen Freiheiten nimmt. Wollten wir eine inhaltliche Debatte führen, wir müssten fragen, warum bestimmte Substanzen zur „Droge“ erklärt und Konsumenten kriminalisiert werden. Wir müssten uns fragen, wer dies bestimmt und warum. Man dürfte auch mal die Frage in den Raum stellen, warum selbstschädigendes Verhalten überhaupt durch den Staat zu ahnden ist. Frau Merkel antwortete auf die Frage, warum Bier in Deutschland legal sei, Cannabis hingegen nicht lapidar, Bier sei nun einmal Teil deutscher Kultur. Man möge sich in Erinnerung rufen, dass allein in Deutschland geschätzt 15.000 Menschen im Jahr an Alkoholkonsum versterben. Die Dunkelziffer ist höher. An Cannabis ist noch niemand verstorben. Dies gilt in ähnlichem Maße für diverse andere Substanzen, von denen viele natürlicher Art sind (Pilze, Kräuter, Pflanzen). Mit welcher Berechtigung, so sollte man weiter fragen, darf irgendjemand einem erwachsenen Menschen Vorschriften über eigene Lebensentscheidungen machen, so diese eben nicht fremdschädigend sind? Noch dazu so offensichtlich auf Basis von Willkür und fragwürdigen „Traditionen“ von denen die hartnäckigste, zumindest hierzulande, sicherlich die Bevormundungsmentalität ist. Erinnern wir uns: Koks und Barbiturate galten einst als „Medikamente“.
Es gäbe für einen besseren rechtlichen Umgang mit Drogen einige Ansätze, die für alle Beteiligten weit vertretbarer wären. Kontrollierter Verkauf und Abgabe über Apotheken und geprüfte Händler und damit nur die Kriminalisierung des „Straßenverkaufs“, um Kinder abzusichern. Nur Dosen, die für den Eigengebrauch geeignet sind, unter Vorlage des Personalausweises. Und ja: Dies sollte meines Erachtens nach für Drogen aller Art gelten. Wer sich jemals mit Heroinkonsum und -Konsumenten auseinandergesetzt hat, der hat begriffen, welche Gefahr vor allem von mehrfach gebrauchten Nadeln und Beschaffungskriminalität und –Prostitution für die Süchtigen ausgeht. Der dürfte auch begreifen, dass Kriminalisierung immer nur die stärkt und gestärkt hat, die Substanzen schmuggeln (oder lieber schmuggeln lassen) und verkaufen, während sie zeitgleich Konsumenten und Süchtigen den Weg zu Hilfe und gesellschaftlicher Akzeptanz erschwert.
Das Recht des Individuums auf Entscheidungs- und Handlungsfreiheit gehörte eigentlich nur da unterbunden, wo eine Fremdschädigung stattfindet. Drogen am Steuer, Verkauf an Kinder, Schädigung der eigenen Kinder oder anderer Menschen unter Einfluss von Substanzen. All dies ist zu Recht strafbar. Was ein Mensch jedoch mit seinem eigenen Körper, seinem Leben anfängt, sollte allein seine Sache sein.
Zurück zum Drogenfund bei Beck, der umgehend alle Ämter niederlegte: Schaut man in die Politikgeschichte möge man sich an dieser Stelle an Otto Wiesheu erinnern, seines Zeichens CSU-Politiker. Der fuhr unter Alkoholeinfluss einen Menschen zu Tode, um dann bayerischer Verkehrsminister zu werden. Ein Hohn, der von weit weniger empörtem Geschrei begleitet wurde. Aber es handelte sich hier auch „lediglich“ um Alkohol, nicht um die „bösen Drogen“. Pfui Teufel, Herr Beck. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihrem Kollegen.
Die Bigotterie äußert sich aber nicht nur im Umgang mit Drogen und Drogenkonsumenten, sondern auch an den sonstigen Inhalten, die das Gros der Menschen so furchtbar „empören“.
Zusammengefasst kann man dazu nämlich schreiben:
Liefere Waffen in die Welt, ruiniere Existenzen, postuliere Menschenverachtung und du bist ein Demokrat. Aber wehe, man erwischt dich mit Drogen oder beim Sex.
Und wehe gar dem, der sich mit Prostituierten abgibt. DAS geht dem Scheinheiligen von nebenan nun wirklich zu weit. So etwas tut ein anständiger Mensch nicht.
Der Wert, der hier Sex und Drogen zuteilwird, verglichen mit dem Umgang mit Korruption, plötzlichen Gedächtnisausfällen vor Untersuchungsausschüssen und Ähnlichem lässt vermuten, dass sich hier weit mehr Menschen eher persönlich ertappt fühlen. Oder es handelt sich lediglich um die klammheimliche Freude, jemanden fallen zu sehen, der sowieso schon die Verachtung derer genoss, die sich nun die Hände reiben.
Auf die Spitze trieb diese Heuchelei, die vom Niveau her etwa die Höhe einer Teppichkante erreichte, die BILD. Wer auch sonst. „Grüner mit Hitler-Droge erwischt“ titelte das Blatt, das sich für wenig zu schade ist. Da wünscht man gewissen Kolumnisten ein wenig Hanf zur Entspannung.
Mit Vernunft und inhaltlicher Auseinandersetzung auf der einen Seite oder tatsächlicher politischer Fehlleistung auf der anderen hat dies alles jedenfalls herzlich wenig zu tun.
Selbst im Tierreich ist der Rausch üblich. Und auch meine Katzen lieben ihre Dosis Catnip zur Entspannung. Das Bedürfnis danach, einfach mal „abzuschalten“ ist nur allzu weltlich und an sich noch nicht zu verdammen.
Wie so oft in der Politik hielt es keiner der Parteikollegen für nötig, sich zu solidarisieren. Im Gegenteil: Da Landtagswahlen ins Haus stehen, waren Kretschmann und Özdemir einige der Ersten, die Beck, bei noch ungeklärter Sachlage, "schweres Fehlverhalten attestierten". Man erinnere sich: Özdemir war der freundliche Grüne mit einem Hang zu Hanfpflanzen auf der Dachterrasse. Foto inklusive. Wer solche "Freunde" hat, braucht keine Feinde mehr.
Abschließend noch der Hinweis: Ich komme selber aus einem Drogenhaushalt und mir ist bewusst, was harte Drogen anrichten können. Ich selber lebe drogenfrei (abgesehen von gelegentlichem Alkoholkonsum). Ich kenne daher beide Seiten sehr gut. Dennoch wiegt Freiheit mehr als Angst und Bedenken. Und unserem rechtsstaatlichen Grundprinzip nach gilt jeder als unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist. Dies sollte insbesondere auch für Privatangelegenheiten wie Sexualität, mit der niemandem geschadet wird, wie auch für Drogenkonsum ohne Fremdschädigung gelten.
Es ist höchste Zeit für eine liberalere Drogenpolitik.
Legalize it!