„Keine Festung ist so stark, dass Geld sie nicht einnehmen kann“ (Marcus Tullius Cicero/ römischer Politiker, Anwalt, Schriftsteller und Philosoph)
Wir leben in Zeiten zunehmender Öffentlichkeit und wenig ist Politikern und Personen des öffentlichen Lebens wichtiger, als die Fassade zu wahren, was nicht selten Beugung von Sprache zur Folge hat.
So sind Kriege bevorzugt „Interventionen mit militärischen Mitteln“, tote Zivilisten lediglich „Kollateralschaden“ und bei gewaltsam aus der Bevölkerung entfernten Bevölkerungsgruppen spricht man von „ethnischer Säuberung“.
Und still und heimlich hat sich unter dem Deckmäntelchen der „Privatisierung“ der Neo-Kolonialismus in Griechenland ausgebreitet.
Nach einem kurzen, schmerzhaften Krieg über die politische Deutungshoheit, mit Verlusten fast ausschließlich auf griechischer Seite, der mit der zu erwartenden, umfassenden Kapitulation der griechischen Polit-Hoffnungsträger und dem Bruch des europäischen Solidaritätsgedankens ebenso einherging, wie mit erhöhten Suizidraten und dem Verlust eines funktionierenden Gesundheitswesens, mussten die Griechen Abschied nehmen von demokratischen Ideen, politischer Autonomie und der Hoffnung darauf, mit einer demokratisch einwandfreien Revolte und einem lauten „Oxi“ aufbegehren zu können gegen den vornehmlich deutschen Austeritätskurs.
Dieser Sieg war nicht zuletzt auch deshalb möglich, weil die Solidarität der restlichen Europäer fehlte. Zwar gab es hierzulande Stimmen, die den griechischen Ruf nach Selbstbestimmung und Menschenwürde mittrugen, doch ein Großteil der Bürger war zu beschäftigt mit Meldungen über mögliche Kosten, die aus der Krise entstehen könnten.
Eine Horror – Schlagzeile jagte die nächste, Journalisten überschlugen sich reihenweise wenn es darum ging, das Kostenszenario zu entwerfen, das Deutschland ihrer Meinung nach zu erwarten hatte.
Harte Maßnahmen der Art, wie sie Griechenland zu spüren bekam, lassen sich politisch nur verwirklichen, wenn die Masse sie mitträgt. Und spätestens als man Kleinanlegern wenig subtil damit drohte, ihre Gelder seien in Gefahr, Steuergelder, Spargelder, überhaupt alle Gelder, war sich der deutsche Michel nicht mehr zu blöde, Schäuble freies Geleit zu verschaffen und „die Pleite-Griechen“, die „faulen Griechen“, abzustrafen.
Anstelle von Solidarität hagelte es Häme.
Dass vom Spiegel über die Wirtschaftswoche mittlerweile nicht wenige Journalisten verlauten lassen, die Gewinne Deutschlands durch die Krise seien vermutlich sogar höher als die zu erwartenden Kosten von derzeit rund 90 Milliarden Euro, stößt auf Ignoranz.
Wer jetzt, besser spät als nie, doch noch eine fundierte und dennoch für Laien verständliche, Erklärung für das wirtschaftliche Wechselspiel im Euroraum sucht, wird beim Handelsblatt und Frank Wiebe fündig. „Die deutsche Milchmädchenrechnung“, sie geht einfach nicht auf.
Nun, da die Krise hierzulande kaum noch medial verheizt wird, sind die Stimmen der Vernunft auf journalistischer Seite hörbar. Nur erreichen sie die Ohren nicht, die gerade mit der nächsten „Krise“ beschäftigt sind.
Dass in Griechenland mit dem Ende lärmender Berichterstattung die humanitäre Katastrophe keinesfalls beendet ist, belegen neue Zahlen. Das Resultat von Austerität, Schulden- und Schuldzinsspirale, sind hohe Arbeitslosenzahlen. Nur noch jeder dritte Grieche hat ein Erwerbseinkommen. Das Land versinkt in Armut.
Entgegen aller Behauptungen von BILD und ähnlichen Blättern mit großen Buchstaben und wenig Inhalt, liegen die Renten und Sozialleistungen unter dem ermittelten Armutsniveau.
So schreibt das Handelsblatt in einem Artikel vom 28.11.2015:
„die Sozialleistungen fallen hier keineswegs großzügig aus. Sechs von zehn Rentenempfängern bekommen weniger als 1000 Euro brutto im Monat. Die durchschnittliche Bruttorente beträgt 947 Euro. Und 45 Prozent der Rentner haben Nettobezüge, die unter der offiziell ermittelten Armutsgrenze von 665 Euro im Monat liegen.
Die Arbeitslosenquote in Griechenland lag im August bei 24,6 Prozent. Neuere Zahlen hat die staatliche Statistikbehörde Elstat noch nicht ermittelt. Nach Angaben des griechischen Arbeitsministeriums ging aber die Zahl der Beschäftigten im Oktober um fast 56600 zurück. Die EU-Kommission erwartet in ihrer jüngsten Herbstprognose für 2015 einen Anstieg der griechischen Arbeitslosenquote auf 25,8 Prozent Das Arbeitslosengeld, 360 Euro für einen Ledigen oder bis zu 576 Euro für eine sechsköpfige Familie, wird in Griechenland maximal zwölf Monate gezahlt. Danach ist der Arbeitslose auf sich selbst, seine Familie oder Freunde gestellt. Eine Sozialhilfe oder Grundsicherung wie Hartz IV gibt es nicht. Das führt dazu, dass neun von zehn Arbeitslosen keinerlei staatliche Unterstützung erhalten.“
Die Realeinkommen sind um ein Viertel gesunken, Sozialleistungen wurden gekürzt, vielen droht, dank des Drucks der Gläubiger, bald die Zwangsräumung. Ein Drittel der Griechen ist nicht mehr krankenversichert:
„Die griechische Sektion der "Ärzte der Welt" hat 2012 all ihre Ärzte aus Uganda, Afghanistan und anderen Dritte-Welt-Ländern abgezogen, weil Griechenland seit den Kürzungen im Gesundheitsbereich vom offiziellen Kriterienkatalog her selbst zu den Katastrophengebieten zählt. Mehr als 30 Prozent der Bevölkerung haben keine Krankenversicherung mehr, die Hälfte der Ärzte wurde entlassen, ganze Krankenhausstationen können nicht mehr arbeiten, die Kindersterblichkeit ist zwischen 2008 und 2010 um 43 Prozent gestiegen, die Zahl der Suizide in Griechenland hat sich mehr als verdoppelt.“
All dies ist nichts weiter als das Ergebnis moderner, finanzieller Kriegsführung.
Dass Griechenland all die deutschen Rüstungsimporte dabei nicht von Nutzen waren, dass Kriege heutzutage „sauber“ über die Bühne gehen, so die Akteure sich dies leisten können, ist hier nicht zum ersten Mal der Fall.
So sauber wie die Sprachverrenkungen soll heute auch die Machterweiterung ausfallen. Und doch ist sie unter dem wohlklingenden Deckmäntelchen so bösartig und inhuman wie zu allen Zeiten.
Wie nach einem Sieg üblich entscheidet die Siegermacht, in diesem Falle Deutschland, über Wohl und Wehe des unterlegenen Staates.
Und so wurde klar gemacht, dass die Griechen ihr Recht auf freie Wahl ebenso verloren haben, wie ihr Recht auf Staatseigentum.
Zwar darf gewählt werden, aber die Politik bestimmen jetzt „die Institutionen“, wie die „Troika“ nun „aus Rücksicht auf unsere griechischen Freunde“ (Martin Jäger, Sprecher Wolfgang Schäubles) genannt wird. Tsipras wird dieser Tage von „Linken“ aller Couleur gerne zu schnelles Einknicken unterstellt, doch der Druck muss immens gewesen sein.
Die Gefahr, noch mehr Landsleute ihr Leben und ihre Existenzgrundlage verlieren zu sehen oder Gehorsam zu leisten war die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Und so kam auch die Meldung am Montag zustande:
Fraport übernimmt griechische Regionalflughäfen
Verkauft als „Privatisierung“ pachtet das Unternehmen „Fraport“ griechische Flughäfen für die kommenden 40 Jahre. Wer an einen Sanierungswillen des Unternehmens glaubt, an selbstlose Nächstenliebe mit bestenfalls winzigen Gewinnen für den Eigenbedarf, der hat die Politik der letzten Jahre verschlafen.
Tatsächlich pickt sich Fraport hier die einzigen Flughäfen heraus, die bisher bereits Gewinn erwirtschaftet haben. Die verlustträchtigen Flughäfen bleiben selbstverständlich dem griechischen Staat vorbehalten.
"...Die Vergabe an den deutschen Konzern ist explizit Teil des neuen „Memorandum of Understandings“, der Grundlage für das neue Kreditpaket über 86 Milliarden Euro. Und das, obwohl es in Griechenland durchaus Vorbehalte gegen das Geschäft gibt – vor allem in der Regierungspartei Syriza. Alexis Tsipras selbst hatte das Geschäft 2014 noch einen „Ausverkauf“ genannt. Dem Flughafen-Deal sollen andere folgen, insgesamt soll griechischer Staatsbesitz im Wert von 50 Milliarden Euro privatisiert werden."
Nun werden vor allem die Menschen, die von jahrelanger neoliberaler Ideologie vereinnahmt worden sind vielleicht einwerfen, ein Privatunternehmen könne Unternehmen besser führen als der Staat. Wobei damit noch nicht beantwortet wäre, warum dies kein griechisches Unternehmen/kein griechischer Unternehmer sein kann.
Der Tagesspiegel jedoch erhellt die Sachlage:
"Erstens: Fraport gehört zu 51 Prozent dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt. Künftig fließen also die Gewinne aus griechischen Regionalflughäfen in öffentliche deutsche Kassen. Kritik gibt es auch an der Vergabe. Die Lufthansa, die selbst acht Prozent an Fraport hält, ist offizieller Berater des griechischen Privatisierungsfonds HRADF, der den Staatsbesitz verkauft."
Hier wechselt nicht ein Unternehmen aus öffentlicher Hand in private, was anhand der Gewinne der Unternehmen, die Griechenland dringend bräuchte, auch gar nicht nötig wäre.
Hier wechselt lediglich der staatliche Eigentümer.
Und der ist in Zukunft Deutschland.
Wie der Tagesspiegel beiläufig bemerkt soll diese Übernahme nur eine von vielen geplanten „Privatisierungsgeschäften“ darstellen.
Was heute als „Privatisierung“ durchgeht, hätte man zu anderen Zeiten wohl eher „Kolonisierung“ genannt.
Ein Hoch auf diesen neuen, politischen Euphemismus.
„Wir haben wieder eine Kolonie! Wer von uns Nostalgikern hätte sich das nicht irgendwann gewünscht. Und wie praktisch eine Kolonie gleich um die Ecke doch ist. Letztlich war es doch mühsam, damals, irgendwo in Schwarzafrika unbewaffnete Eingeborene zu erschießen: … die Hitze, … die Mücken. Wie viel praktischer ist es da heute, für den Profit der deutschen Unternehmer, Rentner in Griechenland hungern oder Säuglinge sterben zu lassen.“ (Max Uthoff, Kabarettist)