Das neue Unwort des Jahres: Integrationsunwillig
Strafen, ausgrenzen, abschieben. Böswillig, verschlagen, kriminell.
Wie einfach es doch ist Menschen zu verunglimpfen.
Wer aber entscheidet hier wie ein Oberlehrer über Eigenschaften von Menschen?
Was heißt es, einer sei integrationsunwillig?
Meine Eltern und meine Tanten waren gezwungen vor den Nazis aus Österreich nach England zu fliehen.
Meine Mutter war sehr jung und abenteuerlustig – und sie war sehr sprachbegabt.
Mein Vater wiederum war fertiger Arzt und arbeitete in einer rein englischen Gruppe.
Beide erlernten die Sprache perfekt, beide lebten wie Engländer und waren „integriert“. Trotzdem wäre mein Vater beinahe als „feindlicher Ausländer“ verhaftet worden.
Meine Tanten waren älter, erlebten die Emigration wohl auch traumatischer als ihre jüngere Schwester – und schafften es nie, die Sprache perfekt zu erlernen.
Behandelt wurden sie so wie meine Mutter auch als Ausländerinnen, die man gerade noch als Dienstboten akzeptierte.
Das war vor 80 Jahren.
Und heute hier bei uns?
Menschen, die um ihr Leben rennen mussten und womöglich keine höhere Bildung besitzen, vorzuwerfen, dass sie die Sprache nicht perfekt erlernen?
Ein klarer Fall von Ahnungslosigkeit oder böser Absicht.
Eltern die hart arbeiten, um ihre Familie zu erhalten, Integrationsunwilligkeit vorhalten, weil sie die Schulsprechtage auslassen?
Ein klarer Fall von Suche nach Vorwänden.
Menschen als „Tschuschen“, Islamisten oder Betrüger verunglimpfen, weil sie aus einem anderen Land kommen?
Ein klarer Fall von der Integrationsunwilligkeit der Mehrheitsgesellschaft.
Der Kampf gegen dieses Problem sollte im Vordergrund stehen, nicht der gegen jene Menschen, die auf der Suche nach Hilfe aber auch als notwendige Arbeitskräfte zu uns kommen – und ganz nebenbei gesagt dazu beitragen, das Funktionieren unserer Gesellschaft in jedem Bereich zu garantieren.
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