Ich war im Kino. Bei einem Film, bei dem ich gleichzeitig gelacht und geweint habe. Er heisst Titos Brille und erzählt sehr persönlich die Geschichte einer jüdisch-kommunistischen jugoslawischen Familie.
Und während ich über vieles lachte und über noch mehr weinte, kam mir der Gedanke, dass die Entwurzelung von Menschen nicht damit endet, dass man sie aus ihrem gewohnten Umfeld, ihrer Sprache, verjagt. Das Gefühl der Entwurzelung bleibt auch dann bestehen, wenn man Jahrzehnte an einem anderen Ort wohnt und dort auch „heimisch“ wird. Und das Gefühl der Entwurzelung vererbt sich.
In dem Film geht eine Frau auf eine Reise in die Vergangenheit ihrer Familie. Und obwohl sie als kleines Kind aus Jugoslawien weggebracht wurde, fühlt sie sich in Zagreb, wo ihre Familie einmal lebte, zu Hause.
Es sind die Gerüche, die Speisen und auch die Sprache, die sie nur mehr mangelhaft beherrscht, die ihr ein Heimatgefühl geben. Und ich dachte an meine Tanten, die die Emigration in England so schwer erlebt haben, obwohl sie dort sicher waren. Und ich dachte an ein Gespräch mit einer Freundin, die ebenfalls als Kind nach Österreich kam und jetzt, wo sie selbst schon halbwüchsige Kinder hat, das Gefühl hat, sie müsse dorthin zurück fahren, wo sie seinerseits vertrieben wurde. Um sich selbst zu finden. Und ich denke an den berühmten sowjetisch-jüdischen Witz, wo ein Jude immer wieder um Ausreise ansucht und dann doch immer wieder zurück kehrt und auf die Frage, warum er sich das antue antwortet, er fühle sich „am besten so unterwegs“. Wir alle, die wir irgendwie vertrieben wurden, und sei es auch nur in unseren Vorfahren, wir alle sind auf der Suche. Nach einem Ort der Sicherheit und der Ruhe – nach einem Ort der Geborgenheit und des Vertrauens.