Achtsam sein mit allen Sinnen – heute: achtsam hören

Mit keinem anderen Sinn kann ich so gut differenzieren wie mit dem Hörsinn. Den ganzen Tag hindurch werden wir quasi „beschallt“ und unser Ohr nimmt alles wahr, egal ob es das Hintergrundgeräusch des laufenden Geschirrspülers ist, die Klimaanlage, Motorengeräusche, die Rettungssirene, der Radio, Hundegebell, fröhlich quietschende Kinder am Spielplatz, der knirschende Schnee unter unseren Füßen, das Plätschern eines Brunnes, eine Fahrradklingel, Vogelgezwitscher, den Aufzug um 5.00 Uhr morgens wenn im Haus noch Stille ist oder Stimmen.

ZUHÖREN BRAUCHT ZEIT….UND HINGABE

Egal ob in der Schule, im beruflichen oder privaten Kontext, richtiges Zuhören, wirkliches Hinhören, spielt eine wesentliche Rolle. Als Dienstleister bin ich erfolgreicher, wenn ich meine Kunden richtig verstehe, als Arzt unterstütze ich die Heilung besser, wenn ich wirklich alles erfasst habe was mir der Patient erzählt hat und als Coach und Mediatorin liegt meine Qualität darin besonders auf die Zwischentöne zu hören. Zuhören braucht Zeit. Und Hingabe.

Die wenigsten Menschen wissen, dass Zuhören als Haltung erst entwickelt werden muss. Wie gut sind SIE im Hinhören?

WIE LANGE KÖNNEN SIE AUFMERKSAM HINHÖREN, LAUSCHEN?

Wir machen mit unseren SeminarteilnehmerInnen gerne eine Übung bei der einer dem anderen 3 Minuten lang etwas erzählt. Und die andere Person muss 3 Minuten ganz genau hinhören – ohne ein Wort zu sprechen. In diesen 3 Minuten soll sie den anderen ganz genau wahrnehmen, was er spricht, wie seine Mimik ist, ob sich seine Stimmlage an bestimmten Stellen verändert…und gleichzeitig soll die Zuhörerin sich selbst genau beobachten. Wie oft schweifen meine Gedanken ab? Wie oft habe ich einen Impuls zu unterbrechen, etwas aus meinem Erfahrungsschatz einzuwerfen? 3 Minuten. Für manche fast unbewältigbar. Eine endlos lange Zeit.

Wie lange können SIE aufmerksam hinhören, lauschen? Und dabei ganz beim Anderen bleiben?

Sehr oft gleichen unsere Gespräche Ping-Pong-Spielen, wie mir ein Student neulich bestätigt hat, der, achtsam geworden nach obiger Übung, sein Umfeld bewusster wahrgenommen hat. Zwei Kolleginnen haben sich beim Café über ihren Urlaub unterhalten. Eine erzählt „wir waren in Spanien“, worauf die andere sofort erzählt, dass sie in Griechenland war. Und das Essen in Griechenland! Na und bei uns in Spanien erst! …. Sie merken schon, ich erzähle von mir, du von dir…so geht das meistens. Ein „Aufhänger“ und wir bringen unsere eigenen Erfahrungen und Erlebnisse ins Spiel. Hängen bleibt vom anderen nicht viel bei mir und näher gekommen sind wir einander schon gar nicht.

Wenn Sie wirklich eine Beziehung herstellen wollen, wenn Sie sich wirklich unterhalten wollen, dann lassen Sie den oder die andere reden. Und zeigen Sie ehrliches Interesse indem Sie nachfragen – einmal, zweimal, dreimal,... Wie hat es deinem Partner dort gefallen? Haben die Kinder das Essen vertragen? Wie war der Transport vom Flughafen? Hattest du auch Zeit für dich? Was hat dir am besten gefallen? Würdest du wieder dorthin reisen?....

Probieren Sie es aus, gleich heute Abend beim Punsch mit der Freundin! Sie werden sehen, mit Nachfragen erzeugen Sie eine andere Tiefe des Gesprächs, eine Vertrauensbasis und eine Herzensverbindung. Auch zurückhaltendere Menschen, die nicht so gerne von sich erzählen, können auf diese Weise wohltuende Gespräche erleben und positiver wahrgenommen werden.

HÖREN SIE BEWUSST HIN UND NEHMEN SIE WAHR, WODURCH SIE NUR „BERIESELT“ WERDEN

Hören Sie in dieser Zeit vor Weihnachten ganz bewusst hin – Sie werden schnell herausfinden, wer aus Ihrem Freundeskreis Ihnen wirklich zuhört und wer nur von sich erzählen möchte. Und Sie machen anderen damit ein wundervolles Geschenk.

Nehmen Sie auch bewusst wahr, wodurch sie einfach nur „berieselt“ werden ohne hinzuhören – läuft Ihr Radio oder Ihr TV-Gerät den ganzen Tag?

Gönnen Sie Ihren Ohren hin und wieder eine Auszeit, eine Zeit der Stille und wählen Sie bewusst aus, wen oder was Sie hören wollen.

Schon Nietzsche wusste: Die größten Ereignisse, das sind nicht unsere lautesten, sondern unsere stillsten Stunden.

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