Susanne Strobach www.susannestrobach.at

Wir leben in einer Zeit, die den Eindruck vermittelt, tagtäglich schneller zu werden. Nein, nicht im Sinne von dynamisch kraftvoll, sondern mehr von ich-komme-nicht-mehr-mit, ich-schaffe-das-alles-nicht-mehr.

Multitasking wird immer noch erwartet, obwohl längst bekannt ist, dass unser Gehirn das gar nicht kann. Unsere Kommunikation wird durch SMS, Whatsapp und Email immer schneller, die sprachliche Ausdrucksfähigkeit schrumpft im Gegenzug dazu immer mehr zusammen, selbst für höfliche Anreden und Grußfloskeln bleibt sogar im Business-Kontext immer weniger Zeit.

Jeder will etwas und das sofort – die Kunden, der Chef, die Kollegin, die Partnerin, die Kinder, die Eltern, die Freunde, die Schule… .

Burnout entsteht bekanntlich nicht durch viel Arbeit, sondern durch das Gefühl fremdbestimmt zu sein, nicht mehr Herr oder Frau über die eigene Zeit zu sein, sondern dem Gefühl alle-wollen-etwas-von-mir und wo bleibe ICH?

Lassen Sie mich einen kleinen Ausflug in die Neurowissenschaften machen:

Wir haben in unserem Gehirn einen kleinen mandelförmigen Teil, die Amygdala. Sie scannt ständig (auch nachts)ob irgendwoher Gefahr droht. Wenn sie nun etwas wahrnimmt, dass ihr bedrohlich erscheint, also uns (emotionalen) Stress macht, meldet sie dem Hypothalamus „Gefahr!“. Der schickt ein Signal an die Nebenniere „wir brauchen Cortisol!“ Die Nebenniere fährt sofort das Immunsystem und das Verdauungssystem runter, weil sie die Energie nun braucht, um das Anti-Stress-Hormon Cortisol zu produzieren. Der Adrenalin-Spiegel steigt.

Sobald sich geklärt hat, dass es nur „blinder Alarm“ war (weil das nächtliche Geräusch von der Katze und nicht vom Einbrecher kam oder Sie nur zum Chef zitiert wurden, weil Sie ein neues Projekt leiten sollen und nicht die Fristlose ins Haus steht), geht die Aufregung zurück, Cortisol und Adrenalin sinken wieder.

Wenn jedoch der nächste Anlass für Ärger oder Stress auftaucht, kaum dass Zeit war, nach dem ersten Anlass alle Systeme „runterzukühlen“, bleiben alle Stresshormone auf hohem Level und wir befinden uns in einer Art Dauer-Anspannung, die langfristig dem Körper massiv schadet (Verdauungsprobleme, Schlafstörungen, ständig wiederkehrende Entzündungen wie Fieberblasen, Erkältungen, Hautprobleme sind die ersten Anzeichen).

Susanne Strobach www.susannestrobach.at

Grafik: Cortisolkurve geht nie ganz nach unten, weil ständig neue Stress-Auslöser auftauchen.

Und hier die gute Nachricht: unser Gehirn ist lernfähig! Es entwickelt sich dorthin, wohin wir unsere Aufmerksamkeit richten.

Die Qualität und die Bewertung MEINER GEDANKEN verändert MEIN GEHIRN. (Tja, das ist nun einmal so, wir können immer nur an uns arbeiten, so gerne wir auch alle anderen verändern wollen. ;) )

Sie finden hier zwei wichtige Begriffe „Bewertung“ und „Qualität“ meiner Gedanken. Auch wenn wir glauben, das Gehirn ist der schlaue Teil unseres Körpers, ganz so ist es nicht! Es glaubt nämlich, was WIR ihm sagen! Unser Gehirn kann nicht unterscheiden, ob etwas real ist oder nicht. Wenn ich mich vor den Spiegel stelle, mich anstrahle und sage „ich werde mit jedem Tag hübscher“, dann glaubt das mein Gehirn (auch wenn Heidi Klum das wahrscheinlich anders bewerten würde) und setzt alle damit verbundenen Hormone im Körper in Gang (womit ich dann auch wirklich immer hübscher werde ;)).

Wenn mich nachts ein Geräusch erzittern lässt und ich mir im Kopf ausmale, dass der Einbrecher durch das Haus schleicht, mein Gehirn glaubt es.

Wenn ich mich vor dem nächsten Arbeitstag fürchte, mein Gehirn glaubt es.

Wenn ich mich auf den nächsten Arbeitstag freue, mein Gehirn glaubt es.

Glauben Sie mir, wahre „Wunder“ kann ich als Mentaltrainer/in erzielen – solange Sie daran glauben (wollen). ;)

Der erste Schritt ist daher, innehalten und mir meiner Gedanken bewusst zu werden. Jetzt, in diesem Moment, was geht mir durch den Kopf? Fühlt sich der Gedanke gut an? Mache ich mir Sorgen? (Bei Sorgen haben Sie schon die eben beschriebenen Aktivitäten im Körper in Gang gesetzt.)

Meditieren bedeutet nicht, dass Sie keine Gedanken im Kopf haben. Im Gegenteil, Gedanken tauchen immer wieder auf. Sie nehmen sie jedoch nur als solche wahr. Als Gedanken und nicht länger als Realität. Denn Gedanken sind nicht mehr als Konstrukte, die sich ständig verändern. Denken Sie nur an Ihre erste Verliebtheit, alles war rosarot. Als Scheidungsmediatorin kann ich Ihnen sagen, dieselben Dinge, die Sie so liebenswert und „süß“ am anderen finden, bringen Sie Jahre später auf die Palme. Der andere ist nicht anders, sein Verhalten ist nicht anders. Ich bewerte nur alles anders. Und aufgrund meiner Bewertung folgen meine Handlungen.

Eine achtsame Haltung ist die Haltung „beobachten ohne zu bewerten“.

Ich nehme meine Gedanken wahr. Ich erkenne, das macht mir Stress, Angst, Sorgen. Ich atme bewusst aus und ein. Mit jedem Atemzug distanziere ich mich von meinem Gedankenkarussell.

Ich erkenne auch, wie viele Gedanken von außen auf mich einströmen – die Ängste meiner Kollegen, der Druck, den die Vorgesetzten weitergeben, die Erwartungen in der Partnerschaft, die Wünsche der Kinder, die Hoffnungen der Eltern.

Ich beobachte ohne zu bewerten, wer mit seinen Gedanken richtig oder falsch liegt, wer Recht oder Unrecht hat. Ich sehe rund um mich Menschen mit denselben oder ähnlichen Sorgen, Ängsten und auch Hoffnungen und Freuden wie ich sie habe. Die unterschiedlichen Strategien bringen uns manchmal in Konflikt. Auch das darf sein.

Ich weiß, dass ich bei allem Druck von außen, der Familien, des Jobs, der Wirtschaft, der Politik nur immer wieder auf meinen Atem achten kann, mich zentrieren kann, innehalten und mich fragen kann: wie geht es mir? Jetzt? In diesem Moment?

Ich kann Atmen – Lächeln – Innehalten.

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Claudia Weber

Claudia Weber bewertete diesen Eintrag 22.02.2017 18:07:37

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