Leute, ich hatte zu viel Zeit. Natürlich hätte ich diese zweckdienlich verbrauchen sollen - immerhin hab ich zwei Auftragsarbeiten zu schreiben - aber ich entschloss mich zur ausgedehnten Prokrastination.
Und wo kann man diese am besten ausleben? Entweder an einem tatsächlichen Tresen, mit Gesprächen, Trinkereien und Gelächter - oder in Facebook.
Ich hatte mich für Facebook entschieden. Das war möglicherweise ein Fehler, denn ich ärgere mich immer noch. Obwohl ich weiß, dass die Zusammensetzung der Beiträge ähnlich ist wie an einem Bartresen - ein paar findet man witzig, mit wenigen will man eingehender reden, der Großteil aber ist unerträglich blöd. Niemals würde man im Alltagsleben ein paar Stunden mit diesen Leuten zu tun haben wollen. Hat man ja auch nicht, sie gehören meist zu einer völlig anderen Welt.
Bei Facebook vergisst man das aber sehr rasch. Ich ertappe mich immer wieder dabei, alle, wirklich alle blöden Kommentare zu einem Thema zu lesen, so mich dieses interessiert. Am tatsächlichen Tresen hätt ich mich schon lang umgedreht und ein neues Gespräch angefangen. Ärgern würd ich mich dort auch nicht.
An der virtuellen Theke aber ärgere ich mich zu Tode. Über die Kollegin, die jeden Tag eine Stausmeldung hinterlässt, in der die Reizwörter "chemtrails", "Zwangsimpfungen" und "Kontrolle durch die kriminelle Organisation WHO" vorkommen. Der sind anderer Leute Kinder anvertraut, so wie mir...also aus dem newsfeed entfernen - aber ich ärgere mich trotzdem.
Oder über die flüchtige Bekannte, die feststellt, dass "Frauen, die sich für Technik interessieren, als Kind die Treppe runtergefallen sind", weil "Mädchen Mädchen bleiben sollen". Dafür bekommt sie jede Menge Zuspruch - klar, von ihren Frisösenfreundinnen und deren Anhang. ich musste mich ausgesprochen beherrschen, ihr nichts zu schreiben - es wäre unfair gewesen, weil wenn sie Hirn hätt`, wär sie Atomphysikerin geworden....okay, das ist jetzt auch unfair.
Unerträglich auch die Kommentare des geistigen Subproletariats zu aktuellen Themen wie Asylsuchende, Kriege, wirtschaftliche Lage, aktuelle Ereignisse. Nicht einmal mehr die Kommentare zu einem "Standard" -Artikel kann ich unbeschadet lesen.
Okay, ich bin selbst schuld. Geschriebenes muss ich lesen, das ist wie ein Zwang. Und selbst schreiben auch. Wahrscheinlich denken sich meine Leser_innen von mir manchmal Ähnliches....
Heut geh ich aus. An der Theke kann man sich nämlich wegdrehen. Jederzeit. (Und die grenzwertigen Dialoge in einem der nächsten Bücher einbauen)