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Wer kennt sie nicht, diese Bilder, die immer wieder kommen, wenn man sie schon vergessen glaubte? Es sind oft schreckliche Bilder, viel weniger oft sind es schöne Bilder. Schöne Bilder besitzen nicht das Potential, den Menschen in einen Alarmzustand zu versetzen. Oft ist aber mit dem Auftauchen von Bildern eben dieser Alarmismus verbunden.
Als ich acht oder neun Jahre alt war, hatte ich eine Phase von circa einem halben Jahr, in der ich immer wieder von einem abstürzenden Zeppelin träumte. Er 'schwebte' in nicht allzu großer Höhe, fing dann Feuer - und stürzte ab. Den Aufprall auf der Erde 'erlebte' ich nie, da ich stets vorher aufwachte. Am Ende dieser quälenden Traumphase verschwand das Bild des Zeppelins für immer aus meinen Träumen.
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Viele Jahre später erst, als ich längst erwachsen war, sah ich die Dokumentation über die Hindenburg und mein Kindheitstraum fiel mir wieder ein. Meine Eltern und ich konnten nie klären, warum ich von einem abstürzenden Zeppelin träumte beziehungsweise überhaupt von einem abstürzenden 'Flugkörper' träumte, da Fliegen und Flugzeuge in meiner Kinderzeit keine Bedeutung für uns hatten. Mein Vater hatte ein schnelles, geräumiges Auto (Mercedes-Benz), mit dem wir alle Reisestrecken zurücklegten. Mein Vater war ein Pferdenarr und Autonarr, letzteres machte er zu seinem Beruf, indem er als Ingenieur für Porsche Deutschland arbeitete. Fliegen auf Rädern war denn eher das Thema bei uns.
In späteren Jahren bemühte ich die Traumforschung, kam aber zu keinem Ergebnis, welches auf ein Kind gepasst hätte. Schließlich war ich zum Zeitpunkt der Träume ein Grundschulkind mit keiner konkreten Vorstellung über irgendwelche Lebensziele.
So gelangte ich nach einem Gedankensprung hinaus aus der Welt gewohnheitsmäßigen Denkens zu der Überzeugung, dass ich mit neun Jahren von der real abgestürzten Hindenburg geträumt hatte. Ich konnte dieses Luftschiff nur von seiner Katastrophe her kennen. Ich hatte den Absturz zwar nicht persönlich miterlebt, aber meine Großeltern waren Zeitzeugen und die Bilder hatten sich wohl in ihr Gedächtnis gebrannt, waren sie selbst auch nicht am Absturzort zugegen. Die Zeitungen der damaligen Zeit waren sicher voll mit den Bildern von der 'Hindenburg'-Katastrophe und diese Bilder dürften sie an mich weitergegeben haben. Sie haben sie mir - über meine Eltern - vererbt. So hat das Bild des abstürzenden Zeppelins über eine Art 'kollektives Gedächtnis' mein Traumbewusstsein erreicht. Das wäre die eine Möglichkeit. (Ich bin sicher, dass es für die Übertragung von inneren Bildern keiner Erblinie bedarf - die Übertragung geschieht von Geist zu Geist.)
Alle Bilder werden vom Licht übertragen. Anders als die Bilder aus den Fotostudios, an denen der Zahn der Zeit nagt und die irgendwann in unseren Händen zerfallen, sind die anderen Bilder, die inneren, unsterblich, da sie sich jenseits der Zeit befinden. Was sich jenseits der Zeit befindet, kann nicht vergehen. Doch wohin verschwinden all diese unzähligen Bilder, die der Geist im Laufe eines Menschenlebens sammelt?
Wie in einem Fotoalbum gibt es auch im geistigen Gedächtnis wichtige und unwichtige Bilder, kleine und große, schöne und hässliche. Viele Bilder sind uns nicht bewusst. Wären sie das, wären wir einem Dauerhagel von Bildern ausgesetzt, der unaufhörlich auf uns niederprasseln würde. Das würden wir nicht aushalten. So hält das Unterbewusstsein die Tür verschlossen. Die Bilder von 'jenseits der Zeit' haben in unserem Zeit-Bewusstsein nichts verloren. Wir können nicht fühlen, dass jemand leidet, der räumlich von uns getrennt ist. Nur manchmal, wenn 'die Wache an der Pforte schläft', kann sich ein Bild durchschummeln. Warum tut es das? Nur so? Oder trägt das Bild, dem es gelingt, ins Zeit-Bewusstsein zu drängen, eine Botschaft mit sich? Sendet jemand dieses Bild? Ja! Ich bin sicher! Es kann nur so sein.
Im August 2014 starb einer der letzten Überlebenden der 'Hindenburg'-Katastrophe. Er war zum Zeitpunkt des Unglücks Kabinenjunge und 14 Jahre alt. Er überlebte, weil aus einem geplatzten Tank Wasser über seinen Kopf und Körper rann, was ihn vor dem Feuer notdürftig schützte. Er blieb aber zeit seines Lebens traumatisiert.
Das wäre die andere Möglichkeit. Träume, die als quälend empfunden werden, könnten nicht entschlüsselte Botschaften traumatisierter Seelen enthalten. Da sich alles Leben über den Geist und nicht die Erblinie entfaltet, wäre dies mindestens ebenso plausibel, da das Betrachten von Bildern allein noch kein Trauma bewirkt. Das Trauma, das unendliche Leid einer Seele, ist jedoch jene Kraft, die Bilder bewegt. Viele Bilder ruhen nur. Emotionalisierte Bilder sind hingegen bewegte Bilder und so schnell wie das Licht unterwegs. Vielleicht sind sie sogar schneller als das Licht. Einstein behauptete, dass nichts schneller als das Licht sein könnte, doch Neutrinos könnten schneller sein.
Äußere und innere Bilder - sie ähneln einander sehr und sind doch ganz verschieden. Während die äußeren Bilder in der Dunkelheit eines geschlossenen Albums wieder verschwinden, bleiben die anderen, die inneren Bilder, im Licht bestehen. Sie sind quasi ewig. Das ist eine gute und schlechte Nachricht zugleich. Leben Menschen in einer schrecklichen Zeit, erzeugen sie viele grauenhafte Bilder, die im kollektiven Gedächtnis gespeichert bleiben. Jeder Geist hat über das kollektive Unbewusste zu diesem Gedächtnis Zutritt. Theoretisch. Praktisch ist es nicht ausschließbar.
Wie viele traumatisierte Menschen hinterlässt allein der Syrien-Krieg? Wie lange werden Kinder von diesem Krieg nachts noch träumen, obwohl sie ihn selbst nicht erlebt haben? In wie vielen Kinderträumen der nächsten Jahrzehnte werden nachts Bomben fallen und niemand wird es verstehen?
Die Geister leben, sie sind nicht tot.