the atlantic
Man konnte es sich ausrechnen, vom Beobachterposten aus. Sobald wirtschaftlicher Abstieg auf evangelikales Erwachen trifft, ist der Faschismus nicht mehr weit. Nun hat er mit voller Härte zugeschlagen. Mein tiefes Bedauern drücke ich all jenen Brasilianern aus, in deren Gesichtern nach der Wahl das blanke Entsetzen geschrieben stand.
Die Medien sprechen schon von einer neuen Flüchtlingswelle.
Jair Messias Bolsonaro hat bereits "Säuberungen" angekündigt und damit klargemacht, was er von Meinungsfreiheit und parlamentarischer Opposition hält. Sehr bewusst hat er sich des Sprachgebrauchs der NS-Zeit und von Diktatoren wie Josef Stalin bedient. "Kommunisten" wie Fernando Haddad, seinen Gegner bei der Stichwahl, will er ins Gefängnis stecken, "nicht nur zu Besuch". Politische Aktivisten sollen nach Übersee verfrachtet werden. Schon einmal mussten Kritiker wie der Architekt und Erbauer der Hauptstadt Brasília, Oscar Niemeyer, und die wohl bekanntesten Musiker Brasiliens, Gilberto Gil, Caetano Veloso und Chico Buarque, das Land verlassen.
https://derstandard.at/2000090278748/Jair-Bolsonaro-der-Totengraeber-der-Demokratie-in-Brasilien
Die Hardliner wollen die Kriminalität mit Rezepten bekämpfen, mit denen die Gewalt nur weiter eskalieren wird – vor allem in den Armenvierteln, den Favelas. Bolsonaro will etwa Waffen legalisieren, damit Bürger sich selbst verteidigen können. Polizisten, die Kriminelle erschießen, sollen eine Amnestie erhalten: eine Freikarte für Polizeigewalt. Flüchtende Kriminelle würde er aus dem Helikopter beschießen lassen, hatte Bolsonaro angekündigt – selbst wenn Unschuldige dabei ins Kreuzfeuer geraten.
Brasilien hat auch seine 'Migrationskrise'. Aktuell sollen sich 2 Millionen Flüchtlinge aus Venezuela in Brasilien aufhalten und es kommt immer wieder zu Übergriffen.
Wie geht es in dem Land nun weiter? Bolsonaro ist nebenbei ein Neoliberaler, fühlt sich der Wirtschaft verpflichtet und hat großmundig die Abholzung der Regenwälder angekündigt. Sie seien brachliegende Nutzflächen, die man wirtschaftlich verwenden könnte. (!) Erster Verlierer ist also der Regenwald.
Kurz nach der Wahl präsentierte sich Bolsonaro mit Bibel in den sozialen Netzwerken und posaunte, es sei ein Schwur an Gott: Mit Sozialismus, Kommunismus und Linksextremismus werde aufgeräumt.
Man sieht, weltweit zeigen ultrarechte Politiker das gleiche, verheerende Bild: Zerstörung der Umwelt, Spaltung der Gesellschaft, Gewalt gegen Fremde, Minderheiten oder Andersdenkende, Abwertung von Frauen (Sexismus), moralischer Verfall. Es ist zum Verzweifeln.
Doch nicht ganz. Ein kleines Licht leuchtet in dieser Finsternis: Brasilien ist mit Haut und Haar von China abhängig. Und eben das lässt Bolsonaros markige Sprüche lächerlich erscheinen.
Es waren einmal die BRICS-Staaten, das heißt, es gibt sie immer noch, doch der Hype um sie ist verstummt. Brasilien liegt heute angeschlagen weit hinter den anderen - warum? Was lief in Brasilien anders als in Indien, China, Russland und Südafrika? Ist es die Abhängigkeit von den Rohstoffen, die Korruption, eine bigotte, religiöse Rechte, die die Köpfe vernebelt? Eines steht fest: Die mangelhafte Bildung ist groß in dem Land. Brasilianische Schüler sind nicht konkurrenzfähig mit Schülern anderer Schwellenländer und schnitten auch beim Pisa-Test denkbar schlecht ab.
Hingegen gelten chinesische Kinder als die klügsten der Welt. Warum?
el espanol
Warum bleibt Brasilien auf einem mittleren Niveau hängen, warum verrottet dort die Infrastruktur? Die Antwort: Weil Brasilien seine Talente bisher nicht vermehren konnte. Nichts spricht für einen gegensätzlichen Trend in den kommenden Jahrzehnten. Die vielen Schulabbrecher werden sich den Heerscharen globaler Migranten anschließen müssen.
https://www.cicero.de/wirtschaft/brasilien-bildung-schule-pisa-keine-chance-gegen-china
Zwischen 2003 und 2016 hat China in Lateinamerika Investitionen in Höhe von 110 Milliarden US-Dollar getätigt, davon waren 61 Milliarden US-Dollar oder 55 Prozent für die brasilianische Wirtschaft. Die Kredite chinesischer Finanzinstitute an Lateinamerika beliefen sich zwischen 2005 und 2016 auf 222 Milliarden US-Dollar, davon hat 42 Prozent Brasilien übernommen. Brasilien ist also das in Lateinamerika am stärksten abhängige Land von China. Der Spielraum des ultrarechten Bolsonaro in Sachen Wirtschaft ist daher äußerst gering. Ja, es ist eigentlich noch schlimmer: Ohne chinesische Investitionen und Kredite geht dem Land die Luft aus.
Dies ist der Grund, warum man sich einigermaßen entspannt zurücklehnen kann, während in vielen Teilen der Welt die Ultrarechten mit Zerstörung drohen. Ein ähnliches Spiel ist in Osteuropa sichtbar, wo Ungarn die meisten Investitionen von China erhält. In Südeuropa wird demnächst die insolvente Alitalia in den Besitz der Air China übergehen und kann dieser Deal Italien vorübergehend Luft verschaffen, ähnlich wie die Übernahme des Hafens von Piräus Griechenland geholfen hat.
Wie sie heißen mögen, die Herren Despoten, Duterte, Bolsonaro, Trump, Salvini, Orban, Erdogan, ja, auch Putin gehört heimlich dazu - als wen oder was könnte man sie betrachten? Sie erscheinen wie eine Brigade alternder Kapitäne, die ihre Schiffe laut grölend an Land steuern möchten, aber welches Land haben sie im Visier? Wo liegt dieses Land? Liegt es im Nebel ihrer eigenen Vorstellungen von einer Welt, die schon gar nicht mehr existiert?
Wie wird das enden? Wann wird es enden?
Wenn Frühlingsluft durch die Winterzeit weht und in Bayern die ersten Orangen blühen. (Ich schrieb darüber.) Dann wird es abgeschlossen sein. Enden tut es schon die ganze Zeit... nicht jede(r) will es wahrhaben.
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/china-kriegt-euch-alle
Ja, China kriegt uns alle, die Linken und die Rechten, die Guten und die Bösen, die Armen und die Reichen, und es verwandelt uns in neue Menschen einer neuen Epoche. Eine neue Zeitrechnung beginnt. (Die alte Zeitrechnung wird verworfen werden, da sie irreführend ist.)
