Ich sitze manchmal in einem Straßencafé und beobachte die Welt. Der Cappuccino schmeckt vorzüglich, der Apfelstrudel duftet und ich chille. Chillen und Beobachten verlaufen nicht diametral, sondern ergänzen sich.
Der Gastgarten, im östlichen und südlichen Österreich liebevoll Schanigarten genannt, wird zu einer Art Kinoraum. Draußen, hinter der Absperrung mit den Blumen, führt die Welt ihr Programm vor. Ich beobachte diese Welt genau. Jedes Detail interessiert mich. Jeder Moment ist spannend und eindrucksvoll. Was man sonst nicht wahrnimmt, wenn man es eilig hat, wird plötzlich wichtig. Wie ein Mann einen roten Wagen öffnet, wie eine müde aussehende Frau einen Kinderwagen schiebt, wie zwei Arbeiter etwas über die Straße tragen, wie auf dem Dach gegenüber Tauben aufgeregt mit den Flügeln flattern, wie eine Person in einem Haus ein Fenster öffnet und auf die Straße hinunterblickt, wie Menschen sich treffen und begrüßen - es gibt so viel zu betrachten. Alle Einzelbilder formen sich zu einem Gesamtbild. Dieses Bild ist stets schlüssig. Es ist die Welt, in der ich lebe. Manches darin gefällt mir, manches bewerte ich nicht, einiges belustigt mich, je nachdem. Nicht immer läuft das gleiche Programm ab, doch jedes Programm ist akzeptabel.
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Bis dann meistens etwas passiert, das dieses Weltbild, diesen chilligen Filmverlauf erheblich stört: Menschen gehen vorbei und führen Hunde an der Leine. Das kommt mir jedesmal grotesk vor, seit vielen Jahren schon. Der Eindruck schwindet nicht und ich kann ihn mir nicht erklären. Er ist nicht emotional besetzt. Ich empfinde weder übertriebenes Mitgefühl mit den Hunden noch finde ich es gemein, dass sie an der Leine geführt werden. Es ist mir fast egal. Hunde sind an das gewöhnt. Ich finde es nur komisch. Grotesk, komisch, seltsam, wie ein Bild aus einer anderen Welt, das sich in der Zeit geirrt hat.
An mutigen Tagen lache ich über die von mir als Kuriosität wahrgenommene Erscheinung und sage mir: Menschen sind eben dumm.
Dann stelle ich mir vor, wie es umgekehrt wäre: Hunde spazieren vorbei und führen Menschen an der Leine.
Bei dieser Vorstellung reißt dann regelmäßig der Film. Chillen kann ich nicht mehr, beobachten will ich nicht mehr, der Strudel duftet auch nicht mehr und ich stehe auf und gehe. Ich will nicht länger ein Alien sein, das die Welt nicht begreift. Bin ich nämlich Teil dieser Welt, beobachte ich die Welt nicht von außen, halte ich nicht die Zeit ein wenig an, dann stört es mich ganz und gar nicht, wenn Hunde an der Leine geführt werden. Dann halte ich das für normal. Verrückt ist das!
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