Bananen für Deutschland!

Das halbe Land ist im kollektiven Willkommensrausch. Der Kater ist vorprogrammiert.Nein, dies wird kein zynischer Beitrag. Ich wollte nur Ihre Aufmerksamkeit. Ich finde es großartig, was wir alle hier bewegen: Die Hilfsbereitschaft der Deutschen gegenüber den Tausenden Flüchtlingen, die in den vergangenen Tagen hier eintrafen, ist berührend, aufwühlend. Helfen können ist etwas Erhebendes, es rückt vieles wieder gerade, man wird dankbarer, bescheidener. Und dennoch: Wie oft hatte ich die Sorge, hier kippe eine Nation ins Hysterische und verliere den Blick für das Wesentliche? Neulich etwa, nächtens am Bahnhof Harburg, als die Flüchtlinge spätabends müde an- und durch eine Menschengasse kamen, aus der ihnen Helfer mit verklärtem Blick Bananen entgegenhielten. Ein bestimmt sehr lieber Mensch wollte annähernd 20 Liter Suppe bringen und suchte zum Zeitpunkt der Ankunft des Zuges noch nach Pappbechern. Der Ruf der Freiwilligenteams, die mittels sozialer Netzwerke den Hinweis „Sachspenden nicht nötig, aber Willkommens-Schilder wären schön“ gegeben hatten, verhallte vielfach ungehört. „Dabei sein“, wenn Geschichte gemacht wird, alle zusammen und doch jeder für sich. Bananen für Deutschland! Helfen als Partydroge, ein halbes Land im kollektiven Willkommensrausch. Der Kater danach ist vorprogrammiert.

Nein, ich werde auch jetzt nicht zynisch. Es war in Ordnung, es war gut. Erst dieser kollektive Rausch hatte die Kraft uns zu Tausenden zu mobilisieren, und was haben wir nicht alles erreicht? Ganze Regierungen haben wir umgedreht, logistische Meisterleistungen vollbracht, gemeinsam mit uns völlig Fremden miteinander für eine Sache gekämpft. Endlich ist in unseren Köpfen angekommen, welche Katastrophe sich seit Jahren an den Grenzen Europas abspielt, endlich bewegt sich die Weltgemeinschaft in der Syrien-Frage, rücken Länder wie Eritrea oder Kongo in unser Bewusstsein – viel zu spät für die namenlosen Toten, an die kein Bild erinnert, wir hätten schon vor Jahren aufstehen müssen, aber egal, besser spät als nie.Aber jetzt heißt es wieder nüchtern werden. Und genau überlegen: Was mache ich als nächstes? Wobei kann ich mitwirken? Wie sieht mein persönlicher Mitmachplan für ein Jahr aus, für drei Jahre, für immer? Bin ich bereit, die unvermeidliche Umgestaltung unserer Gesellschaft mitzutragen? Und wie soll diese überhaupt aussehen? Deutschland wird einen ordentlichen Brocken zu bewältigen haben, und die Verantwortung dafür liegt bei uns, die wir eben noch so laut Menschlichkeit gefordert haben und dass sie die Grenzen aufmachen und Züge schicken. Bei uns liegt auch die Verantwortung dafür, wem wir die Verwaltung des Landes anvertrauen, wer den Einbau der bis zu fünf Millionen Neuankömmlinge organisieren soll, die Deutschland für die kommenden Jahre vorausgesagt werden, und wie wir das alles finanzieren.Wenn unsere Hormone wieder auf Normallevel sind und die Dinge nicht so großartig klappen, wie wir es uns vorgestellt hatten, dann erst werden wir zeigen, was unsere Generation wirklich draufhat. Die Reporter der Weltpresse werden dann längst weitergezogen sein, die „Gefällt mir“-Klicks werden unter anderen Einträgen landen, und von denen, die neulich noch mit „Welcome!“-Schildern am Bahnhof standen, wird die Hälfte gelangweilt sein vom Thema Flüchtlinge – oder auch desillusioniert.  Doch das ist das Gute an einem Rausch: Er prägt sich ein. Die Kraft für die Jahre, die vor uns liegen, werden wir aus der Erinnerung an diesen magischen Sommer ziehen – als wir einfach aufstanden und losliefen und die Welt bewegten und manchmal auch zu viele Bananen anschleppten, egal, als wir einfach nur Menschen waren – jeder für sich, und doch alle zusammen.

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Veronika Fischer

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Erkrath

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fischundfleisch

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