Es war nur eine kleine Meldung in der Hamburger Morgenpost, die mir den Tag verdarb: „Sechs Männer vergewaltigen junge Frau“. Es ist ein Fall, wie es ihn in ganz Europa immer wieder gibt: ein Straßenfest, ein Kirtag, eine Disco, eine junge Frau kommt mit einem Mann ins Gespräch, er lockt sie irgendwohin, auf einen Parkplatz, hinter ein Bierzelt, in diesem Fall auf einen Schulhof, wo sie dann zu sechst über sie herfielen.
Wir müssen nicht nach Indien schauen, um Berichte über solche feigen Überfälle zu sehen. Wir müssen auch nicht indische Zeitungen lesen, um einen Vorwurf an die Frau zu entdecken, denn jemanden zu überfallen, zu vergewaltigen, einander aufzustacheln, so was macht doch kein Mann einfach so - nein, irgend etwas muss die Frau ja getan haben, um die Tat zu provozieren.
In Indien genügt es, wenn sie nach 20 Uhr auf der Straße ist. In Europa genügte noch bis vor ein paar Jahren das Wissen, dass sie einen kurzen Rock trug. Das geht heute nicht mehr, man muss schon subtiler werden. „Nachbisherigen Erfahrungen“, schreibt die Hamburger Morgenpost, „hatte die Frau auf der Party Alkohol getrunken, kam mit der Gruppe ins Gespräch. Nach Mitternacht traf sie beim Rauchen im Freien einen der Jungs wieder. Der lockte sie unter einem Vorwand auf einen nahen Schulhof, wo die Komplizen warteten ...“
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Danke!
Die Stelle „Sie hatte Alkohol getrunken“ steht da ohne jeden Zusammenhang, mittendrin in einer ansonsten recht sachlichen Schilderung des Tathergangs. Ich möchte niemandes Intelligenz beleidigen, indem ich weiter ausführe, warum dieser Satz dort nichts zu suchen hatte. Ebenso absurd wäre übrigens die Schlussfolgerung: „Weil sie rauchte, wurde sie vergewaltigt“, aber wer weiß – vielleicht sind wir in ein paar Jahren soweit.
Es ist entmutigend zu sehen, dass wir nicht weiter sind. Wir sind subtiler geworden, doch die Grundeinstellung ist die gleiche geblieben: nach wie vor gilt es, Frauen zumindest eine Mitverantwortung für ihre Vergewaltigung in die Schuhe zu schieben. Und sei es mit einem kurzen, zusammenhanglos hineingestopften, sich ins Herz fressenden Satz.