Bereits mehrere Zeitungen haben das Spiel ausprobiert. "Zeig mir deinen Rucksack", heißt es. Dabei wurden Flüchtlinge gebeten, zu zeigen, was sie mitnahmen - was sie in ihre Taschen oder Rucksäcke packten, bevor sie loszogen, wissend, dass sie ihre Heimat nicht mehr sehen würden?Ich habe die Bilder gesehen. Die T-Shirts, Socken, Ladekabel. Zahnbürste. Grundsätzliches. Seither überlege ich: Was würde ich einpacken, wäre ich in der gleichen Situation?Es ist nicht das erste Mal, dass mich dieses Gedankenspiel beschäftigt. Vor Jahren erzählte mir ein Verwandter, wie er damals aus der damaligen Tschechoslowakei geflohen war: Soldaten erklärten, die Familie habe eine Stunde um zu packen, dann müssten sie verschwinden. Jeder packte einen Rucksack, man sammelte sich vor dem Tor und dann gingen sie los, nach Süden, nach Österreich, wo Verwandte waren, bei denen sie bestimmt unterkommen würden, man marschierte also nicht ins Ungewisse. Immerhin.Ich überlegte danach einige Male, was ich mitnehmen würde, wenn ich nur eine Stunde Zeit hätte, einen Rucksack zu packen.Die Lederhülle mit den wichtigsten Dokumenten.Socken, Unterwäsche, Waschbeutel.Die Wanderschuhe.Die wasserdichte Überhose.Den gelben Regenumhang.Den Schlafsack.Das Handy. Ein Ladekabel.Bargeld.Streichhölzer. Fotos.Den Schmuck zum Tauschen.Dann fielen mir stets die Dinge ein, die ich brauchen könnte, aber nicht besaß.Taschenlampe.Schweizer Messer.Feldflasche.Wie wenig noch Bedeutung hat, wenn es um Leben und Tod geht. Wie sehr sich die Liste dessen, was ich auf eine Flucht mitnehmen würde, von dem unterscheidet, was ich im Alltag für unersetzbar halte.Meine Espressokanne.Das große Foto an der Wand.Meine Lieblings-CDs.Die Liste der Dinge, die ich mitnehmen würde, ist aufs Überleben ausgerichtet, für Erinnerungen ist da nur wenig Platz. Seit ich Mutter bin, sind noch einige Dinge dazugekommen.Kinder-Unterwäsche und Strumpfhosen.Eine Kleidergarnitur. Die festen Schuhe. Regenumhang. Zahnputzzeug. Haarbürste.Ein Buch.Teddybär.Gleich, was ich in Gedanken einpacke, etwas fehlt garantiert. Aber es ist ja nur ein Gedankenspiel, eine Übung, nichts passiert, wenn eine Taschenlampe fehlt oder ein Messer. Für Tausende ist es kein Spiel. Keine Übung. Es gibt nur einen Versuch, eine Tasche, einen Abschied. Und nur manchmal Verwandte, die jenseits der Grenze warten.
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