Als der Sommer verschwand, Teil 3

Dienstag, 08.07.2014

Mein Kind kapselt sich von mir ab. Sie schlägt verbal um sich und da ich es bin, die gerade da ist, trifft sie mich. Sie ist wütend, weil ich sie für 2 Wochen mit ihrem Vater auf die Alm schicke. Aber ich will unbedingt verhindern, dass sie in Kontakt mit H tritt, die in der letzten Juliwoche wieder in Wien ist. Sie wirft mir vor, sie abzuschieben und verteidigt H glühend. Ich weiß nicht, wie man ihr beibringen kann, dass H keine Freundin ist.

Am Abend sitzen wir gemeinsam am Balkon. M, ihre Schwester, S. und ich. Wir unterhalten uns, S. und ich trinken ein Glas Wein. M beteiligt sich am Gespräch, sie lacht sogar. Ich fühle eine starke Liebe – sowohl zu ihr, als auch zu S., die mein Kind mit ihrer Art zum Lachen bringen kann. M nimmt mein Glas und trinkt den Wein aus. Kurz schaltet sich mein Mutterinstinkt ein und ich will ihr das Glas aus der Hand nehmen, dann denke ich nein, sie ist bei uns, in Sicherheit, ich will sie nicht rügen. Vorsorglich trinken S. und ich jedoch den Rest der Flasche ziemlich schnell selber aus. Von außen betrachtet, wäre es eine schöne Szene. Eine Familie sitzt am Balkon und lacht. Keiner würde vermuten, in welcher Krise sich diese Menschen befinden. Trotzdem genieße ich den Abend, er ist so normal. Und mein Kind redet normal mit mir. Ich spüre, wie ich innerlich ganz ruhig werde. Inmitten des Chaos wird uns ein schöner, harmonischer Abend geschenkt und ich bin unendlich dankbar dafür.

Dann kommt das SMS von H. Wie schlecht es ihr geht und dass sie am Arsch ist, wenn ihre Eltern von der Sache erfahren. Also wieder Druck auf M, damit sie keine Anzeige macht. Mittlerweile habe ich Gewaltphantasien, wenn ich ihren Namen höre. Ich verbiete den Kontakt und M scheint sich zum ersten Mal zu fügen. Bis H an unserer Tür klingelt. Wieder weint sie und erzählt, dass sie gerade bei einer Freundin ihrer Eltern war. Die Freundin ist Juristin und ihr hat sie sich anvertraut. Die Juristin sagte ihr klipp und klar, dass Anzeige erstattet werden muss. Ich weiß nicht, was sich H erwartet hatte, aber kurz keimt Hoffnung in mir auf. H wäre eine wichtige Zeugin, ihre Aussage könnte die entscheidende sein.

Im Laufe des Abends redet sich H die Tatnacht so zurecht, dass sie am Ende ihre Meinung ändert. Ich verstehe, die Angst, ihre Eltern damit zu konfrontieren, ist zu groß. Sie gibt auch bekannt, dass sie ihren Freund P nicht verlassen wird. M sitzt wie gelähmt auf dem Balkon. Ich beende H´s Besuch, fest entschlossen, sie nie wieder in die Nähe meiner Kinder zu lassen, egal, was die dazu sagen. Bitte, lieber Gott, falls es dich gibt, lass mein Kind aufwachen und erkennen, wer Freund und wer Feind ist.

Mittwoch, 09.07.2014

Der erste Tag, an dem ich das Gefühl habe, wieder Kraft zu bekommen. Ich habe heute noch nicht geweint. Langsam sortiert sich alles. Die Trauer über mein verwundetes Kind ist da, aber langsam drängt sich die Wut in den Vordergrund. Meine beste Freundin ist seit gestern wieder in Wien. Wir telefonieren lange und ich lasse alles, was ich denke und fühle, raus. Ja, ich will den Tätern wehtun. Ich will sie zusammenschlagen und ihnen am Liebsten einen Baseball-Schläger in den Arsch rammen. So lange, bis sie mit Sicherheit nie wieder eine Frau ansehen, geschweige denn angreifen. Danach will ich ihnen dasselbe sagen, wie sie meinem Kind.“ Ist ja alles nicht so schlimm, in ein paar Tagen ist es vergessen, in ein paar Monaten lachen wir gemeinsam drüber.“ Ich stelle mir vor, wie ich lache.

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CPMan

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