Neue Bekanntschaft
Ein Monat war nun seitdem Stromausfall im Restaurant vergangen. Mein angeschlagenes Herz war wieder verheilt und meine Stimmung war die meiste Zeit auf Hochtouren. Das Wetter war jeden Tag himmlisch warm und bis auf ein paar Arbeitstage im Restaurant genoss ich die wohlverdienten Sommerferien. Okay, kann sein, dass meine gute Laune nicht nur durch das Wetter und meine Freizeit geprägt wurde. Ich hatte vor einigen Tagen wen kennen gelernt. Sein Name war Ernesto und wir begegneten uns auf dem Weg zu einer Party. Natürlich war ich wieder mit Esmeralda unterwegs gewesen, und wir hatten uns (wie schon so oft) einen unvergesslichen Abend vorgenommen. Er startete wieder in unserer heiß geliebten Studenten Alm.
Der Abend hatte gut begonnen, obwohl ich an dem Tag ein wenig frustriert war da ich eine Absage für eine Praktikumsstelle bekommen hatte. "Ach komm jetzt. Mach nicht so ein Gesicht. Dieses Praktikum war doch nicht die Welt!" Esmeralda verdrehte die Augen. "Es war nicht die Welt, aber es hätte mich Richtung Traumjob ein ganzes Stück weitergebracht!" ich senkte den Blick und schaute in meinen "Very-Long-Island-Ice-Tea". Esmeralda legte ihre Hand auf meine und zwinkerte mir zu. "Kopf hoch bitte! Heute wird nicht geschmollt. Der Abend wird super, darauf wett ich!" Ihre Augen leuchteten. Ich lachte sie an aber der Frust ließ mich noch nicht ganz los. Wir tranken aus und machten uns auf den Weg in den Club. "Warte! Mach ein Foto von mir in meinen neuen Schuhen! Hier bei der Straßenecke." Esmeralda posierte vor einem Stopp-Schild und ich musste lachen.
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Sie hatte sich neue High Heels gekauft und präsentierte sie stolz. "Nun mach schon! Schau darauf dass man die Schuhe gut sieht. Schau ich fett aus?" Ich lachte immer noch und spürte langsam den Alkohol in meinem Körper. "Neeeeheeeein. Du bist nicht fett, wie oft noch! Aber dreh deinen Kopf ein wenig, das sieht dann besser aus. Jaaa genau so!" Ich schoss geschätzte 500 Fotos und wir lachten um die Wette. Ich machte in meinen Stiefeln mit Absatz ein paar Schritte rückwärts um mehr von Esmeralda einzufangen zu können. "Pass auf!" Esmeralda streckte ihren Arm nach mir aus aber meine Reaktion war zu langsam. Ich prallte mit einem Fahrradfahrer zusammen und ließ das Handy auf den Boden fallen. Er rutschte vom Rad und stützte mein Gewicht mit seinen Armen damit ich nicht auf ihn drauf fiel. "Oh, sorry. Hab dich nicht gesehen." Mir war ein wenig schwindelig und ich suchte den Gehsteig panisch nach meinem Handy ab. Er hob es auf. "Dein Handy. Es ist noch ganz. Du musst besser aufpassen!" Ich schaute auf den Display und war erleichtert dass keine Sprünge oder Kratzer zu erkennen waren. Er reichte es mir. Ich sah den Radfahrer zum ersten Mal an. "Danke." Er hatte dunkle Augen und noch dunklere Haare. Er trug ein grünes Shirt, eine blaue Hose und orientalisch aussehende Sandalen. Sein Körper war stark und gebaut."Gern geschehen!" Er lächelte. Mir wurde noch schwindeliger "Hallooooo?! Gehen wir jetzt?" Esmeralda kam mit kleinen Schritten auf uns zu. "Du könntest auch besser aufpassen, wer fährt auch mitten in der Nacht an einem Freitag mit dem Fahrrad am Gehsteig!?" Sie musterte ihn etwas skeptisch als ihr anscheinend sein Aussehen auffiel und ihr Blick wurde weich. "Ja klar, es war auch meine Schuld. Ich hab zu spät gebremst." Er lächelte wieder und Esmeralda warf mir einen verwunderten Blick zu. Ich grinste. In dem Moment kamen noch drei weitere Fahrradfahrer auf uns zu und fuhren ein Stück an uns vorbei bevor sie bremsten. "Hey Ernesto, wir haben noch Bier gekauft. Hör auf mit den Mädels zu flirten und los geht's!" Ein junger Mann mit wuscheligem blondem Haar hielt ein Sackerl voller Bierdosen hoch.
Sie fuhren weiter. "Ja schon okay!" Ernesto musterte mich innig. Mir wurde heiß. "Ich muss noch kurz dafür sorgen, dass diese Dame hier meine Nummer bekommt." Ich zog die Augenbrauen hoch. Esmeralda prustete los. "Sie, DEINE Nummer?" sie klatschte in die Hände. "Ein echter Gentlemen." sagte sie. Er musterte mich wieder und seine dunklen Augen schienen mich zu durchleuchten. Normalerweise konnte ich Typen gut interpretieren oder zumindest ein bisschen durchschauen aber bei Ernesto schien es unmöglich. "Nun, ja. Du brauchst meine Nummer um mir zu schreiben!" Er schenkte mir einschiefes Lächeln. Ich setzte meine arrogante Miene auf. "Warum sollte gerade ich dir schreiben?" Ich verschränkte die Arme. Er deutete auf das Handy in meiner Hand. "Wie soll es denn sonst zu unserem ersten Rendezvous kommen?" er kam einen Schritt auf mich zu. Esmeralda beobachtete uns gespannt. Ich schaute ihm tief in die Augen und entschlüsselte schließlich den Display. Etwas an ihm war merkwürdig aber gleichzeitig unglaublich interessant.
Mir war es durchaus bewusst, dass er diesen Spruch sicher schon oft für Anmachen verwendet hatte aber dennoch fühlte ich mich angezogen und konnte einfach nicht anders. Ich speicherte seine Nummer ein und steckte das Handy weg. "Schreib mir." sagte er und setzte sich auf sein Fahrrad. "Wäre schade wenn wir uns nie wieder sehen würden. Schönen Abend wünsch ich euch!" Er fuhr los und weg war er. Ich schaute ihm nach und sah seine silbernen Sandalen im Straßen -Licht funkeln. "Okayyy, was war denn das?! Was für ein Freak! Aber ein außerordentlich hübscher Freak! Aber diese Sandalen, also das ist ein Style Verbrechen" Esmeralda zwinkerte mir zu. "Das war schon ne eigenartige Anmache. Ich habe noch nie als erste wem geschrieben. Normalerweise machen das die Männer!" ich runzelte die Stirn. "Ach vergiss es,ich kenn solche Typen. Die sagen du bist was Besonderes bis du drauf kommst, dass du eine von 100 besonderen Weibern in seinem Leben bist." sie drehte sich um und zog mich am Arm. "Komm, lass uns gehen. Wir verpassen noch die Party und die Schuhe bringen mich jetzt schon um!" Ich folgte ihr und nach einer Nacht voller Tanz, Alkohol und peinlichen Fotos legte ich mich zufrieden ins Bett.
Am nächsten Tag hatte ich einen Tattoo-Termin. Es war bereits mein zweites und ich war ziemlich aufgeregt. Meine gute Freundin (welche mir das Tattoo-Studio vorgeschlagen hatte) Rosanna begleitete mich. Ich erzählte ihr auf dem Hinweg von der Party und von dem süßen Barmann im Club. "Und? Hast wen aufgerissen?" Sie grinste mich an. "Naja, nicht wirklich. Da war so ein Typ, wir haben ihn auf dem Weg zum Club getroffen." ich überspielte meine Unsicherheit. "War er fesch? Knackiger Hintern?" Rosanna fragte mich voller Hoffnung. Sie war mit ihrem Freund schon seit fünf Jahren in einer festen Beziehung und ich hatte den Eindruck, dass ihr meine Geschichten vom Fortgehen und von heißen Affären mehr Unterhaltung baten als ihre Lieblingsserie. "Ja und Jaaa." Ich schmunzelte. Ich erzählte ihr von der Anmache und seiner Nummer. "Oh wow. Riskanter Schachzug. Der Junge macht es spannend. Hast du dich gemeldet?" fragte sie mich. "Noch nicht. Ich überlege ob ich es machen soll." Die Sonne verursachte eine unfassbare Hitze und Erleichterung trat in mir auf als ich vor uns das Tattoo-Studio erblickte. "Warte lieber noch. Klar, falls du ihn wiedersehen willst dann musst du ihm schreiben. Aber lass ihn lieber noch etwas zappeln!" Sie öffnete die Tür zum Haus und ich blieb verwirrt stehen. Wir standen mitten in einem Meer von kleinen Kindern. "Oh, hab vergessen dich vorzuwarnen. Hier ist ein Kindergarten.
Das Studio ist im zweiten Stock die Treppe rauf. " sie deutete auf die Stiegen. Plötzlich bemerkte ich ein Geräusch. Es war das unverwechselbare Summern einer Tattoo-Nadel welches vom zweiten Stock aus zu hören war. Die Kinder rannten wild durcheinander und ich fand die Tatsache, dass Tattoos oberhalb eines Kindergartens gestochen wurden und die damit verbundenen (vielleicht zum Teil bestimmt hart aussehenden Kunden) zuerst an den Kindern vorbei mussten mehr als unangebracht. Rosanna lachte. "Tja, das Studio war zuerst da, das weiß ich! Komm schon." Sie ging voraus und ich folgte ihr. Oben angekommen begrüßte uns eine exzentrisch aussehende (und fast am ganzen Körper tätowierte) Frau mit einer herzhaften Umarmung. "Ihr habe euch schon erwartet! Ich hole meine Skizze für dich. Setzt euch. Bin gleich wieder da." "Das ist Gina Wild. Sie wird dich tätowieren. Sie hat auch mein erstes gemacht. Einfach die Beste!" Rosanna zwinkerte mir zu. Ich wollte mir einen Elefanten stechen lassen und hatte Gina schon vor Wochen eine Skizze per Mail gesendet. Sie kam mit einem Blatt Papier zurück. Mein Elefant war noch zu erkennen, jedoch war er mit ein paar neuen Mustern verziert und deutlich schöner als zuvor. "WOW! Sieht super aus!" ich war begeistert. "Freut mich dass es dir gefällt!
Ich bereite alles vor und du kommst dann in zehn Minuten zu mir rüber okay?" Ich nickte. Nervosität packte mich. "Nur die Ruhe, es ist kein großes Tattoo, dauert wahrscheinlich nur ne halbe Stunde." Rosanna nahm meine Hand. Ich wollte es an der Rippe stechen lassen, so konnte ich es immer gut verbergen (und vor allem ein ganzes Leben lang vor meiner Oma verstecken). Nach einer Weile winkte mich Gina zu sich und mein Herz fing an zu pochen. "Leg dich hin Süße und nur ruhig atmen. Es wird ein wenig unangenehm aber nicht schlimm. Einfach nur entspannen!" Ich merkte wie ich ein wenig anfing zu zittern. Rosanna schaute mich freundlich an. Gina setzte sich Kopfhörer auf und fing langsam an zu tätowieren. Der Schmerz war nicht stark, aber dennoch konnte ich nicht komplett ruhig bleiben. Nach ein paar Augenblicken hörte sie auf und hielt inne. Bevor ich wusste wie mir geschah setzte sie mir ihre Kopfhörer auf und ich schloss zufrieden meine Augen. Es waren etwas laute Heavy Metall Balladen, aber ich wollte mich nicht beschweren. Zumindest konnte ich dank der Musik die Nadel nicht hören und ich wurde von den Stichen abgelenkt. "Run, run, run into the twilight. Don't look back! Run, run, ruuuun!" Während mich verstörende Liedtexte in eine Art Delirium versetzten, musste ich ungewollt an Ernesto denken. Ich hatte beschlossen ihm zu schreiben, da ich neugierig auf ein Wiedersehen war. Ich dachte an seine dunklen Haare und seinen durch dringlichen Blick. I'll come for you. I'll break the silence. Run, Run, into the twilight........
..... Fortsetzung folgt.