15.November 1984: Bob Geldof sieht einen Bericht der BBC über die Hungerkatastrophe in Äthiopen, wo gerade tausende Menschen sterben. Spontan hat er eine Idee: Er will der große Retter werden. Ob aus Betroffenheit und reinem Helferdrang heraus oder auch um vielleicht nebenbei seiner Karriere neuen Schwung zu geben, sei dahingestellt. Zusammen mit Midge Ure von Ultravox komponiert er in nur wenigen Tagen "Do They Know It’s Christmas?". Er trommelt die crème de la crème der britischen Popmusiker zusammen, darunter Freddie Mercury, David Bowie, Bono, Paul McCartney, George Michael, Sting, Paul Young, Boy George, Jon Moss, die britische Girlgroup Bananarama uvm. und bereits am 25. November spielen sie in einem Londoner Studio den Song ein. Die einzelnen Zeilen werden von verschiedenen Künstlern gesungen und im Refrain sind alle im Chor zu hören. Dazu viel weihnachtliches Glockengeläute und Phil Collins als brillanter Schlagzeuger.

Band Aid: Do They Know It’s Christmas? (Live Aid 1985)

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Im ersten Monat werden 3.000.000 Platten verkauft. Zwei Live-Aid-Benefiz-Konzerte spielen dann den Großteil des Gewinnes ein: über 150 Millionen Pfund, nach heutigem Wert 1/2 Milliarde Euro. Alle Einnahmen werden gespendet.

Aufgrund dieses und weiterer humanitärer Projekte wurde Bob Geldof schon mehrmals für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Es tobt in Äthiopien allerdings nicht nur eine Hungerkatastrophe mit 400.000 Todesopfern infolge von Ernteausfällen, sondern auch einen Bürgerkrieg. Die Regierung will den ersten kommunistischen Staat Afrikas errichten und setzt auf Kollektivierung und staatliche Planung. Im Norden Äthiopiens bombardiert sie die eigene Bevölkerung, weil diese sich womöglich abspalten will. Einen beträchtlichen Teil der Spenden erhält nun ausgerechnet der äthiopische Diktator Mengistu, der die Situation in dem bitterarmen Land deutlich weiter verschlimmert, indem ihm nichts Besseres einfällt als Waffen zu kaufen und Zwangsumsiedlungen weiter voranzutreiben, bei denen dann weitere 50.000 Menschen umkommen.

Ärzte ohne Grenzen fleht Bob Geldof an, keine Hilfsgelder zu schicken. Dies ignoriert dieser aber. Damit ist Geldof dafür verantwortlich, dass die Hilfsgelder mehr Schaden angerichtet als Nutzen gebracht haben.

Aus dieser Erfahrung heraus stellt sich grundsätzlich die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Geldgeschenken. Aber auch Sachlieferungen können problematisch sein, zumal auch diese Hilfe in Kriegsgebieten immer schwierig ist. Laut Ärzte ohne Grenzen und laut anderen NGOs kommt normalerweise 1/4 der Essenslieferungen gar nicht an. Damit muss man sich wohl oder übel abfinden. Wenn aber 3/4 ankommen, ist dennoch vielen Menschen geholfen. Spenden ist daher weiterhin wichtig, allerdings sollte man die Verteilung unbedingt jenen überlassen, deren Job es ist, humanitäre Hilfe zu leisten.

Aber nicht nur das! Der Song wird zu Recht auch für seinen kolonialistischen Blick auf Afrika kritisiert und trieft meiner Meinung nach gerade so vor white saviorism.

Ich gehe davon aus, dass das Projekt primär grundsätzlich gut gemeint war, denn Zynismus will ich niemandem unterstellen. Dennoch: Wie konnte es passieren, dass eine Zeile wie "Well tonight thank good it's them instead of you", gesungen von Bono, durchgehen konnte? Ist das denn keinem der beteiligten Musiker aufgefallen? Und auch nicht dem Millionenpublikum? Dachte man damals tatsächlich so? Oder waren alle in ihrem Gefühlsdusel derart eingelullt, dass es niemand bemerkt hat?

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Wenige Wochen später folgte mit "We Are the World" von Michael Jackson und Lionel Richie ein ähnliches Projekt in den USA:

USA for Africa: We Are The World (Live Aid 1985)

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P.S. Diese beiden Songs waren übrigens die erfolgreichsten Singles der 1980er Jahre.