Ein Artikel zum Thema, wie wichtig Farben beim Schreiben sind, daran hat mich "Blindfisch" gestern Abend an diesen Post erinnert, den ich im vergangenen März in meinem Hauptblog publiziert hatte.
Seit meiner Geburt gelte ich als vollblind. Was ich tatsächlich gesehen habe, ist nicht der Rede oder des Schreibens wert oder doch?
Zum Schreiben mache ich immer blau
Viel habe ich nicht gesehen von der Welt. Und gleichgültig, wie alt ich noch werde, es wird nicht mehr mehr werden. Denn die Hornhaut meines rechten Auges ist inzwischen so getrübt und die Tatsache, dass ich keine Pupille habe, hat mich so geblendet, dass ich nur noch starke Lichtquellen mitbekomme und zwar als unangenehmes Brennen, das mit Sehen nichts mehr gemein hat. Sehen habe ich zu meinen Lebzeiten nie mit links gemacht. Das linke Auge ist vollkommen unterentwickelt. Seit meiner Geburt gelte ich als vollblind. Denn das, was ich auch ganz früher noch gesehen habe, hatte mit dem Licht der Erkenntnis nichts zu tun, und es hatte nicht den geringsten lebenspraktischen Nutzen, obwohl ich bis zum Alter von vier Jahren unter bestimmten Bedingungen sogar noch über ein gewisses Farbsehen verfügte. Doch das galt nur bei bestimmten Lichtverhältnissen und nur für einen ganz kleinen Punkt.
Viel habe ich nicht gesehen von der Welt. Es ist kaum der Rede wert. Denn den einen Farbpunkt zu sehen, den ich zu sehen in der Lage war, bereitete viel Mühe.Dazu hätte es eines ruhigen Auges bedurft. Und das Meiste ist, womöglich vollkommen zu Recht in Vergessenheit geraten. Nur zwei deutliche Farberinnerungen sind mir geblieben. Da ist das Rot der Infrarotlampe für die Küken im Stall. Und da ist das Blau, das ich sogar in verschiedenen Nuancen erinnern kann. Das Blau kommt von einem breiten gewebten Schal aus Wolle, von den Rechenklötzchen meiner älteren Geschwister, vom Himmel und einem blauen Spielzeugauto. Rot sehe ich Gott sei Dank nicht oft, obwohl das bestimmte Rot kein Knallrot war. Mir wird nicht warm davon, obwohl man rot als warme Farbe beschreibt. Und ich kann mir von diesem Rot nicht nach Gutdünken eine Vorstellung machen. Bei blau ist das anders. Obwohl ich es häufig auch spontan sehe, ohne es zu wollen, und ohne einen Anlass zu erkennen, warum ich blau sehe, kann ich mir von den verschiedenen Blautönen eine Vorstellung machen, wenn ich es brauche.
Viel habe ich nicht gesehen von der Welt. Aber ich bin froh, dass ich blau gesehen und erkannt habe. Es stört mich nicht, dass blau als eine kühle Farbe gilt. Warme Gedanken muss man sich eben immer selbst machen. Und das geht, wenn man in den geeignetenSituationen blau macht, ganz hervorragend. Denn blau ist eine tiefe Farbe, in die man sich fallen lassen kann. Wenn ich richtig blau machen will, muss ich die Augen schließen, damit kein Brennpunkt aus Licht mein rechtes Auge belästigt, was immer noch vorkommt. Und das ist auch eine gute Strategie, um sich zu entspannen oder zu konzentrieren. Und dann ist blau, wie man es spricht. Der erste Kontakt mit dem vorgestellten blau ist eine sanfte Berührung, die so ist, wie sich die Lippen bei dem Sprechen eines Bs berühren. Danach werde ich leicht von der Farbe erfasst, wie es das L besagt. Und das Au hat am Anfang die Offenheit und am Ende die Tiefe dieser Farbe. Und ähnlich fassen auch andere Sprachen diese Farbe in ein Wort, z. B. das englische Wort blue, das die Tiefe etwas mehr betont als meine Muttersprache. Auch die italienische und spanische Sprache bringen den Charakter der Farbe zur Sprache. Im Italienischen heißt blau ebenfalls blu. Und im Spanischen wird blau azul genannt. Dabei ist die Offenheit dieser tiefen Farbe gleich am Anfang, das Z wird weich gesprochen und U und L sind weich und tief.
Blau ist so weich, tief und frisch, dass ich, wenn ich mir diese Farbe vor das Auge führe, von ihr wirklich mit allen Fasern meines Seins erfasst werde. Ob es ein mittel- oder dunkelblau ist, hängt von meiner aktuellen Situation ab. Aber immer, wenn ich blau mache, bin ich von der Vielschichtigkeit dieser Farbe erfüllt. Auf eine ganz eigene Art „bin ich blau“, wenn ich blau mache. Und da blau eine vielschichtige Farbe ist, mache ich blau, wenn ich schreibe. Blau ist eine Möglichkeit meine Kreativität zu wecken oder zu erhalten. Aus diesem Grund mache ich zum Schreiben blau.
Viel habe ich nicht gesehen von der Welt. Das ist auch nicht schlimm. Denn ich kann blau machen. Und wenn ich zum Schreiben blau mache, hoch konzentriert und tief verwurzelt zugleich. Dann sind Gedanken und Gefühle miteinander in einem sehr guten Kontakt. Und wenn ich blau mache, schließt mir diese Farbe, obwohl sie einsam und allein in meiner Vorstellung ist, die Welt der Farben auf. Denn wenn ich blau mache, zeigen mir die Personen meiner Geschichten ihre Farben. Ich bin mir sicher, dass sie mit mir nicht über ihre Farben plaudern würden, wenn ich nicht blau machen könnte und mich damit aufschließe für die Welt ihrer Farben. Blauäugig bin ich nicht, wenn ich blau mache. Dazu zeigen mir die Personen meiner Prosa zu viel von ihren Schatten, als das ich naiv im himmelblau schwelgen könnte. Der Blues ist häufig das Gefühl und der Klang, wenn ich blau mache, Das bleibt bei der Tiefe und Kühle des Blauen nicht aus. Ich lasse mich auf und in das Blau ein, wenn ich blau mache. In gewisser Weise bin ich ganz blau, weil ich blau mache und mich Aber wenn ich blau mache, bin ich nie blau aus Selbstvergessenheit, dumpfem Dahintreiben wie im Rausch.Die blauen Stunden sind meine kreativste Zeit. Und ich hoffe, viele Stunden ganz blau machen zu können.
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