Die westliche Demokratie im Orient: Eine Ursache für Krieg und Völkermord

Die Staatsform des Westens gilt heute als Modell für die ganze Welt. Die Demokratie habe sich, laut westlichem Narrativ, in einem jahrhunderte andauernden Prozeß des Ausprobierens als die erstrebenswerteste aller Staatsformen herauskristallisiert. Nach dem Niedergang des Christentums, gilt sie als der Kitt, der die polarisierten Gesellschaften Europas noch zusammenhalten kann, als gemeinsame Grundlage. Dementsprechend ungern gesehen ist die Infragestellung dieses Narrativs. Doch gerade wenn man der Überzeugung ist, daß die westliche Demokratie der ganzen Welt als Idealmodell dienen soll, dann wird man um Kritik nicht herumkommen.

Der Begriff hat eine lange, wechselvolle Geschichte durchgemacht – bis er sich in der Moderne sogar fast bis in das genaue Gegenteil verkehrt hat. Im antiken Griechenland verstand man unter „Demokratie“ die Selbstregierung kleiner politischer Einheiten. „Demos“ leitet sich von der „Deme“ ab, der kleinsten Verwaltungseinheit. Auch bezeichnete der Demos nicht einfach „das Volk“, sondern nur wehrfähige männliche Vollbürger lokaler Abstammung. Diese sollten an der Erhaltung des Gemeinwesens beteiligt werden.

Innerhalb ihrer Haushalte galten die Vollbürger als eine Art „König“, der den Haushaltsbetrieb leitete (Daher auch das Wort „Ökonomie“, die „Gesetzesmäßgikeit der Haushaltsführung“). So funktionierte dann auch die Versammlung und Gesetzgebung: Sie galt als Zusammenkunft der freien Bürger, die gemeinsam ein Gesetz beschlossen, welches aber eher als gemeinsamer Vertrag angesehen wurde. Die Aufgabe dieser Versammlung war nämlich in erster Linie nicht, neue Gesetze zu erlassen, sondern den „Nomos“ zu schützen. Nomos wird heute mit Gesetz übersetzt, dies ist aber unzureichend. Besser wäre Naturgesetz, denn als Nomos bezeichnete man die Überlieferungen der Vergangenheit, natürliche Regeln, nach denen ein Gemeinwesen funktioniert. Alle neu beschlossenen „Gesetze“ wurden überprüft, ob sie der Überlieferung widersprachen und derjenige, der den Vorschlag in die Versammlung einbrachte, blieb persönlich für das neue Gesetz haftbar.

Die Demokratie im Westen hat mit diesem Ideal praktisch nichts mehr zu tun. Die Vermassung des Menschen, der Siegeszug des Rechtspositivsmus und der politischen Ideologien haben die Demokratie der Antike in ihr komplettes Gegenteil verwandelt. Die Staatsgebiete haben sich massiv ausgedehnt, genauso wie das Ausmaß der Partizipation. Die Parlamente haben sich zu Gesetzesfabriken gewandelt, in denen nicht freie Bürger sondern eine, weitestgehend von der Realität abgeschottete, Kaste ein Gesetz nach dem anderen verabschiedet, ohne groß darüber nachzudenken und ohne jegliche Verantwortung und persönliche Haftung. Organisierte Gruppen und schlechte Charaktere können sich im immer größer werdenden Staatsapparat ungeniert bereichern und die Bevölkerung ausnutzen. Dementsprechend explodiert ist das Staatsbudget und die Steuerlast. Die antike Polis kannte kein Budget und keine regelmäßige Besteuerung (Steuern galten als Zeichen der Unfreiheit, da nur Sklaven Tribute entrichten mussten).

Was aber ist nun das Problem an diesem Modell speziell im Orient ? Die Gesellschaften des Nahen Ostens sind uns auch deshalb so fremd, da sie eine Ordnung haben, die den Europäern nach den ethnischen Säuberungen im ideologischen Wahn des 20. Jahrunderts heute unbekannt geworden ist:Sie sind ethnisch und religiös fragmentiert. Länder wie Syrien, der Irak, der Libanon, der Iran, die Türkei sind sehr heterogen, sie sind durchzogen von „Paralellgesellschaften“: In vielen dieser Ländern könenn religiöse Gemeinschaften ihre Zivilstreitigkeiten untereinander regeln, es gibt ethnisch-religiöse Schulen und Universitäten (Zb. Die armenische Haigazian-Universität im Libanon), eigene Sportvereine, etc. Die Unruhen in der Region werden gerne darauf zurückgeführt, daß die Araber eben „noch nicht reif für die Demokratie sind“. Tatsächlich wurden diese Massensysteme in der Region teilweise bereits verwirklicht, nur ist die Demokratie leider Gift für „multikulturelle“ Gesellschaften und viele westliche Staaten werden diese bittere Lektion noch lernen müssen.

Die Kennzeichen des zeitgenößischen Demokratismus, großer Staatsapparat, Konzentration von Macht und Mitteln, erhöhen den Anreiz, in diesem Apparat an Einfluß zu gewinnen. In einer fragmentierten Gesellschaften beginnen dann ethnische und religiöse Gruppen um den Einfluß zu wetteifern, aus diesem kann ein kalter Krieg werden, der jederzeit in einen Heißen umschlagen kann. Wie kann man nun den Einfluß erweitern ? Indem man zB. einen Genozid verübt. Schlußendlich geht es nur noch darum, wer mehr Köpfe auf sich vereinen kann und wenn die einen weniger sind als die anderen, können sie foglich auch weniger Ansprüche geltend machen. Das ist auch der Grund, warum demographische Veränderungen zu einer heiklen Frage werden. Im Libanon zB. wurde die letzten statistischen Erhebung über die Bevölkerung 1932 gemacht.

Noch gefährlicher wird es, wenn ausländische Einflußnahme dazukommt: Wenn die eine Gruppe die andere als „fünfte Kolonne“ einer, womöglich feindlich gesinnten, ausländischen Macht wahrnimmt, dann ist ein Völkermord auch nicht mehr weit entfernt.

Dementsprechend verheerend sind die Anreize und Auswirkungen der Massendemokratie auf Länder wie die Türkei, den Irak oder den Libanon: Im Irak streiten Sunniten und Schiiten seit dem Sturz von Saddam Hussein um die Macht, in der Zedernrepublik entzündete sich am Zustrom mehrheitlich sunnitischer Palästinenser einen Bürgerkrieg.

Die westlichen Gesellschaften müssen sich endlich nüchtern und sachlich einer kritischen Betrachtung der Demokratie stellen und erkennen, daß dieses Modell keineswegs ein Vorbild für die ganze Welt ist. Diese Einsicht würde dann auch die überhebliche Besserwisserei beenden. Das „Ende der Geschichte“ ist eben noch lange nicht erreicht.

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