Die Mehrheit der Europäer weiß, daß im Orient hauptsächlich Araber leben, welche wiederum Muslime sind. Die etwas besser Informierten wissen, daß dort auch einige Christen und andere Minderheiten existieren, wie beispielsweise die Aleviten in der Türkei. Den Wenigsten aber ist, ausgenommen einiger Orientalisten, die Existenz des Drusentums bekannt, einer religiösen Minderheit in Syrien, Israel und dem Libanon. Dabei hat es oft eine wichtige Rolle in der Geschichte der Levante eingenommen.
Die theologischen Wurzeln dieser „Geheimreligion“ liegen im schiitischen Islam, die geographischen in Ägypten. Entstanden ist das Drusentum am Beginn des zweiten Jahrtausends, als eine Abspaltung der Ismailiten, die wiederum zu den Schiiten gehören. Um die zweite Jahrtausendwende regierten die ismailitischen Fatimidien Ägypten, jedoch blieb die Mehrheit der Untertanen sunnitisch. In der Ismailiyya spielt die Erwartung eines Messias, des „Mahdi“, eine zentrale Rolle: Einer der Imam-Kalifen soll aus der Verborgenheit zurückkehren, sich erheben und ein neues Zeitalter einläuten, indem alle Religionen aufgehoben sind und die „reine“ Urreligion Adams den Menschen offenbart wird. Denn dies sei die „Wahrheit“, die „wahre Religion“. Alle anderen, auch der Islam selbst, seien nur vorübergehende Hüllen.
In der Regierungszeit der Fatimidien machte sich jedoch Unruhe breit, denn alles schien zu stimmen: Die wahren, legitimierten Nachfolger Mohammeds regierten das Reich, die Zeit für den Mahdi sei gekommen. Doch er kam nicht. Dies ließ eine neue Bewegung entstehen, die der Drusen. Sie hing der Vorstellung einer Inkarnation Gottes im gegenwärtigen Kalifen an, dessen Erscheinen ein Zeitalter der "Vorstufe" zur Ankunft des Mahdis einläutet. Als diesen sahen sie den sechsten Kalifen der Fatimidien, al-Hakim (996-1021), an. Die neue Bewegung gewann rasch an Einfluß, da sie, wie die Ismailiten, auf Missionsarbeit setzte. Nach dem Ende der Herrschaft al-Hakims (Er kehrte eines Tages von einem Ausritt nicht zurück, die Drusen glauben seither, er sei in den Himmel „entrückt“), setzte auch schon die Verfolgung der neuen Glaubensgemeinschaft ein, sodaß sich die Drusen in die Gebirgsregionen des Libanons, Syriens und Nordisraels zurückzogen. Ungefähr zu dieser Zeit schloßen die Drusen auch alle Tore: Sie nahmen keine Konvertiten mehr auf.
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Drusische Siedlungsgebiete in der Levante
Die nächsten Jahrhunderte waren von ihrem Ringen um lokale Autonomie geprägt. Als die Kreuzritter in der Levante eintrafen, schlugen sich die Drusen auf die Seite der Muslime und Araber. In den Schlachten erwiesen sie sich als äußerst effizient und kampferprobt. In den darauffolgenden Jahren konnten sie sich eine relative Autonomie, ausgehend vom Chouf-Gebirge des Libanons, erhalten. Bald regierten verschiedene drusische Dynastien als Emire die Region der heutigen libanesischen Republik (Die Drusen des Libanons verstehen sich seit jeher als eine Art Avantgarde unter ihresgleichen). Gegen die Osmanen führten sie erst den erbitterten Widerstand an, als die Region dann aber doch erobert wurde, konnte sich die wehrhafte Gemeinschaft ihre Selbstbestimmung weitgehend erhalten.
Das 19. und 20. Jahrhundert war einschneidend für die Drusen in der Region, und die Folgen wirken bis heute nach. Im 19. Jahrhundert verloren die Drusen, durch die Intervention Frankreichs und dessen Unterstützung für die Christen, zunehmend ihre Vormachtstellung im Libanon, und der Aufstieg der Maroniten begann (Eine christliche Konfession, seit dem 12. Jahrhundert mit Rom uniert). Die Spannungen zwischen beiden Gruppen gipfelten 1860 in den antichristlichen Pogromen von Beirut und Damaskus, die zwar von Drusen ausgingen, an denen sich aber im weiteren Verlauf auch Sunniten beteiligten und in dessen Folge an die 100.000 Christen vertrieben wurden. Als dann nach dem Ersten Weltkrieg Syrien und der Libanon von Frankreich besetzt wurden, war es um die libanesischen Drusen geschehen: Die Franzosen schufen den „Großlibanon“ (dh. den modernen Libanon in seinen heutigen Grenzen). Fortan gehörten auch mehrere sunnitisch-schiitische Landstriche dazu, was eine drastische Veränderung der Demographie zur Folge hatte: Die Drusen waren nur noch die fünftgrößte Religionsgruppe. Zwar gestand ihnen Frankreich 1921 mit dem „Drusenstaat“ in Syrien (Er war faktisch deckungsgleich mit der auch heute noch mehrheitlich drusischen Provinz As-Suwayda) einen eigenen Staat zu, dies hinderte die rebellischen Drusen jedoch nicht daran, 1925 gegen die französische Okkupation aufzubegehren. Dieser Aufstand, dem sich rasch auch Sunniten und Christen anschloßen, sollte dann als „Große Syrische Revolution“ in die Geschichte eingehen.
Im Libanon werden die Drusen seit der Unabhängigkeit des Landes von der Jumblatt Familie angeführt, eine der letzten übriggebliebenen Familie des alten drusischen Adels. Sie bekamen sechs Sitze im Parlament zugesprochen (Acht wurden es nach dem Krieg) und werden dort durch die „Progressiv-Sozialistische Partei“ vertreten. Während des Bürgerkriegs (1975-1990) wurde Kamal Jumblatt, der Gründer der PSP, ermordet, sein Sohn und derzeitiger Drusenführer Walid nahm seinen Platz als PSP-Chef und Anführer des antiisraelischen, arabisch-nationalistischen Bündnißes „Libanesische Nationalbewegung“ ein. Die Drusen kämpften mit einer eigenen Miliz, der „Volksbefreiungsarmee“.
Heute sind Jumblatt und die PSP Teil der antisyrisch-antiiranischen „Koalition des 14. März“. Er zählt zu den entschiedensten Kritikern Assads im Libanon und rief syrische Drusen wiederholt dazu auf, sich einer Einberufung in die Syrische Armee zu verweigern. Desweiteren ist er ein vehementer Gegner Israels. Diese Aufrufe fruchteten allerdings kaum. Zwar gibt es eine gewiße Unzufriedenheit mit der Regierung in Damaskus (Dies äußerte sich durch mehrere Proteste in As-Suwayda während der letzten Jahre), dennoch sitzt Assad auch in As-Suwayda fest im Sattel, die Merheit der Drusen ist regimetreu. Selbst die israelischen Drusen sind ihrem Staat überwiegend loyal eingestellt.
Heute gibt es noch rund eine Million Drusen weltweit. Ungefähr 500.000-600.000 davon leben in Syrien, ca. 200.000 im Libanon und rund 140.000 in Israel. Erkennen kann man sie an ihrer traditionellen Kleidung, die sowohl für Männer als auch für Frauen gilt: Ein langes, schwarzes Gewand und eine weiße Kopfbedeckung, bei weiblichen Drusen zusätzlich noch ein weißes Kopftuch.
Es wird sich zeigen, ob die Gemeinschaft angesichts der wachsenden Bedrohung durch den sunnitischen Islamismus in der Levante überleben wird.