Die Hisbollah im Libanon ist vielen Menschen im Westen ein Begriff, und das im negativen Sinne. Sie gilt vielen als eine grausame Terrororganisation von „Steinzeit-Islamisten“, geführt von einem bärtigen „Haßprediger“. Die USA, Israel und Saudi-Arabien stufen die Hisbollah als Terrororganisation ein, die EU dagegen nur den bewaffneten Arm. Sie sei quasi eine Art schiitisch-libanesische Al-Qaida.
Dieses Bild ist weit verbreitet, entspricht aber kaum der Realität. Wie steht es also tatsächlich um die „Partei Gottes“, so die wörtliche Übersetzung, im Libanon ?
Gegründet wurde sie 1982 als schiitische Miliz während des libanesischen Bürgerkrieges mit massiver Unterstützung des Irans. Ihr Ziel war es die israelische Besatzung des Südlibanons zu beenden, was ihr im Jahr 2000 schlußendlich gelang. Seitdem sieht sie sich hauptsächlich als Beschützer des Libanons, sowohl was Israel betrifft, als auch was den mörderischen sunnitischen Islamismus betrifft.
Die Organisation hat sich aber auch in anderen Bereichen weiterentwickelt und wurde so zu einem Staat im Staat. Sie betreibt Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, ein eigenes Sozialsystem, welches sich zum Beispiel um die Familien gefallener Kämpfer kümmert, sowie die stärkste, nichtstaatliche Armee der Welt, die die Schlagkraft der libanesischen Armee weit übersteigt. Ihre paramilitärischen Kräfte haben de facto schon lange die Kontrolle über die schiitischen Gebiete im Libanon übernommen. Desweiteren ist sie eine ganz normale Partei im Libanon, der von ihr geführte Block, dem auch Christen angehören, gewann 67 von 128 Sitzen bei der letzten Parlamentswahl am 7. Mai.
Die ideologische Ausrichtung der Hisbollah war bei ihrer Gründung klar pro-iranisch, sie übernahm die Staatsideologie des Irans und forderte insbesondere von den libanesischen Christen sich dem Islam zu öffnen. Doch in den darauffolgenden Jahren wandelte sich ihre Ausrichtung, von einer iranisch-schiistisch-islamistischen Bewegung hin zu einer libanesisch-patriotisch-schiitischen Kraft. In einem Land, das religiös so divers ist, daß es möglicherweise eine Einzigartigkeit in der Welt darstellt (ca. 35% Schiiten, ca. 25% Sunniten, 35-40% Christen verschiedener Konfessionen, 5% Drusen sowie 4% Alawiten), war dies notwendig. So leben im überwiegend schiitischen Südlibanon bis heute Christen, sowohl in ihren Dörfen als auch in größeren Städten wie Tyre oder Baalbek, in denen Schiiten die Mehrheit bilden.
Auch unter Christen gibt es, vor allem seit den Kriegen gegen Israel und den IS, eine wachsende Unterstützung für die Hisbollah. Eine Umfrage aus dem Jahr 2014 zufolge, durchgeführt vom „Beirut Center for Research and Information“, unterstützen 66% der Christen die militärische Intervention der Hisbollah in Syrien. Auf politischer Ebene hat die Hisbollah zahlreiche christliche verbündete: Die „Freie Patriotische Bewegung“ von Präsident Aoun, die Marada-Bewegung, die armenische Tashnag oder den Skaff-Block. Aber nicht nur Christen zählen zu ihren Alliierten, die drusische „Libanesische Demokratische Partei“ als auch die alawitische „Arabische Demokratische Partei“ gehören dazu. Im Jahr 2015 begann man sogar Christen in der Bekaa-Ebene, die nahe der syrischen Grenze liegt, im Kampf auszubilden, damit die christlichen Bürgerwehren ihre Dörfer gegen das Einsickern von Dschihadisten zu verteidigen.
Den Islamischen Staat, der eine kleine Enklave im syrisch-libanesischen Gebiet kontrollierte, vertrieb man im Sommer 2017 in Zusammenarbeit mit der regulären Armee erfolgreich.
All dies fällt im Diskurs in westlichen Ländern leider allzu oft unter den Tisch, vor allem aus Unwißenheit. Daß die Hisbollah keine finstere, Ungläubige tötende Terrororganisation ist, fällt vielen schwer zu akzeptieren, selbst denjenigen, die sich für gebildet und intellektuell halten (Wobei sie eben in Wirklichkeit Pseudointellektuelle sind.).
Natürlich hat die Organisation auch Schattenseiten: Sie führte mehrmals Mordattentate auf israelische Zivilisten durch (zuletzt 2012 in Bulgarien). Die andere negative Seite ist die, mutmaßliche, Verstrickung der Hisbollah in den südamerikanischen Drogenhandel. Da der Libanon eine große Diaspora hat, alleine in Brasilien leben mehr Libanesen als im Libanon, reicht ihr Arm bis nach Lateinamerika. Dort sammelt sie spenden, manchmal auch auf der Basis von Drohungen, und verdient dort laut Geheimdienstberichten am Drogenhandel, was sie allerdings vehement bestreitet.
Alles in allem muss man im Westen realisieren, daß die Hisbollah eine militärische und politische Realität ist und daß ein großer Teil der Libanesen sie untersützt. Nachdem sie wieder in der nächsten Regierung sitzen wird, muss man sich in fairer und realistischer Weise auseinandersetzen.