In der Usenetgruppe de.etc.sprache.deutsch geschieht es zuzeiten, daß eine Diskussion über Wörter zu einem Schwatz über die Dinge wird, welche die Wörter bezeichnen. Da geht's dann tagelang um Rezepte für irgendwelche Kuchen oder über die Geschmacksqualitäten von Semmelschmarrn und die Leute, die dran teilnehmen, amüsieren sich.
Manchmal aber wird es derb, man kommt vom "Wasser lassen" aufs "brunzen" und empfindlichere Gemüter fühlen sich durch dergleichen Wörter belästigt und es sind Stoßseufzer zu lesen:
"Ja, bitte, hör(t) endlich auf mit diesem 'Brunz'! Es ist ja wirklich grauenvoll, was uns - in mehreren Postings schon - hier vorgelegt bzw. zugemutet wird."
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Ich antwortete der Beschwerdeführerin (1):
Liebe A., es scheint, ich müßte jetzt ein bißchen weiter ausholen. Wenn du in dem Thread ein kleines bißchen nach oben gehst, dann wirst du sehen, daß es hier eine zeitlang um Trinken und Trinkgewohnheiten ging, das Ganze damit immer mehr off-topic wurde. R. brachte dann das Dialektwort "Steckerlesbrunser" ins Spiel, was mich zum Nachfragen über die Schreibweise und Aussprache anregte, womit wir wieder on-topic wurden.
Davon abgesehen: Wenn ich mit einem anderen Menschen über Wörter spreche, deren Entstehung, Gebrauch und regionale Varianten, über Stilebenen und dergleichen, dann ist es gar nicht zu vermeiden, daß ich früher oder später (meist früher) auf die Dinge zu sprechen komme, von denen die Wörter handeln.
Du stößt dich an der Grobheit der besprochenen Wörter, vielleicht auch an der derben Art und Weise, in der wir (vor allem ich) drüber geschrieben haben. Womit wir bei den unterschiedlichen Stilebenen wären. Wenn eine Dame, eine wahre Dame, oder ein Herr, ein richtiger Herr, ein Bedürfnis verspürt und sich zurückzieht, mag man das, was sie/er dann tut, treffend als "Wasser lassen", "Wasser abschlagen" oder "urinieren" bezeichnen. Ein notwendiger Schritt, der so dezent und geräuschlos, wie nur möglich abgehandelt wird. Aber…
Wir aber - R. und ich und zuvor einige andere - sprachen von Leuten, die sich im Bierzelt viele, viele Maßen ins Hirn stoßen, rasend viel Flüssigkeit also aufnehmen und diese Flüssigkeit zwischendurch auch immer wieder ablassen müssen. Diese Leute ziehen sich nicht zurück und urinieren in stiller Abgeschiedenheit. In unterschiedlichen Stadien der Trunkenheit ziehen sie zum Pissoir und dort…
Ich gehe - wahrscheinlich zutreffend - davon aus, daß du noch nie in einem bierzeltnahen Pissoir bei Hochbetrieb warst. Möglich, wenn auch eher unwahrscheinlich, daß du in einem Kulturfilm etwas über dieses faszinierende Biotop erfahren hast. Also laß dich belehren von einem, der schon dort war. In einem bierzeltnahen Pissoir hängt Urinal neben Urinal an der Wand und zwischen den Schüsseln sind Sichtblenden angebracht und neben jedem Urinal findest du einen massiven, fest verankerten Griff. Dieser Griff dient den Urinanten dazu, sich während des Entleerungsvorganges festzuhalten, auf daß sie nicht umkippen. Die Sichtblende schützt den Pissoir-User davor, daß sein Uriniergerät von seinen Kon-Urinanten begutachtet und dann in derben Versen besungen wird.
Derart ausgestattet kann der Trunkene nun sein Wasser lassen und er tut es - und zwar wie!!! Das zischt und rauscht, daß es ein wahre Freude ist und die Freude höret nimmer auf.
Was hier abgeht, ist derbstes Treiben und dieses Brunzen als "Wasserlassen" zu beschönigen ist grober Unfug. Einen groben Vorgang adäquat zu beschreiben, brauche ich grobe Wörter, dezentere Wörter wären Lüge oder verschwiemeltes Drumrumreden.
Und damit wir uns auch richtig verstehen: Das, was ich hier vom Bierzelt und der danebenliegenden Servicestube erzählt habe, gilt auch von einer Weinstube (Crying Room), einem hochedlen Weinlokal (Crying Inn), einer Bar - einem Lokal jedweder Qualität und Preisklasse, vorausgesetzt dort ist es möglich, ungestört und unbelästigt von Personal und anderen Gästen soviel Alkohol wie nur immer gewünscht und möglich, in sich hineinzugießen.
Das abschließende Wort hat der Kollege Heinrich Heine:
Doch die Kastraten klagten,
Als ich meine Stimme erhob;
Sie klagten und sie sagten:
Ich sänge viel zu grob.
Und lieblich erhoben sie alle
Die kleinen Stimmelein,
Die Trillerchen wie Krystalle,
Sie klangen so fein und rein.
Sie sangen von Liebessehnen,
Von Liebe und Liebeserguß;
Die Damen schwammen in Tränen,
Bei solchem Kunstgenuß.
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[1] Der Mann als solcher ist eine Sau. Es ist noch stets die Frau, die wenigstens ein bisserl 1 Kultur entstehen läßt.