In einem ansonsten durchaus löblichen Artikel zum Thema Billiglohn hat Verena Schmitt-Roschmann vor etlichen Jahren im FREITAG folgendes geschrieben:

"Es ist ein künstlich geschaffenes Billigproletariat ohne Rechte, das für uns Arbeit erledigt, die uns nichts wert ist."

Diese Aussage ist teils richtig. Was mich an dem Satz aber zusammenzucken läßt, das ist die Wortwahl. Da ist zum einen das Billigproletariat, da sind zum anderen "wir", die wir Leistungen entgegennehmen, die uns nicht viel wert sind. Wo verläuft die Trennlinie zwischen uns und denen? Wer ist eigentlich dieses "wir"? Sind wir die Unternehmer, die ihren Schnäppchen-Proleten zu wenig Lohn zahlen? Ich gebe zu Protokoll, daß ich nicht zu diesem Wir gehöre. Oder sind wir die Staatsbürger? Und wer sind dann die Billig-Proletarier, wenn wir ja schon die Staatsbürger sind?

Vor vielen, vielen Jahren hat mal Hermann L. Gremliza in der "konkret" einen Artikel aus der ZEIT zerlegt. Der ZEIT-Artikel hatte die Überschrift "Der Arbeiter, das unbekannte Wesen" (oder so ähnlich). Im Artikel selber hatte der Autor geschrieben, es werde derzeit viel über den Arbeiter geschrieben und geredet, kaum einer aber kenne den Arbeiter wirklich.

Gremliza hat nun sehr sarkastisch drauf hingewiesen, daß die Arbeiter die Mehrheit der Bevölkerung stellten. Wer nun behaupte, kaum einer kenne den Arbeiter, der konstruiere sich eine Gemeinschaft, eine Allgemeinheit, in welcher Arbeiter nicht vorkämen, bzw. nur als außerhalb der Allgemeinheit stehende Gruppe. Denn klar: Wären die Arbeiter Bestandteil dieser Gemeinschaft, so wäre die Behauptung, kaum einer kenne die Arbeiter, Bockmist der Sonderklasse. Ich muß jetzt nicht erklären, warum das Bockmist wäre, oder?

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