Als sich vor zwei Jahren die Geschichte mit Corona herumgesprochen hatte, begannen viele Leute in Deutschreich und Österland Klopapier zu hamstern, daß es nur so eine Art hatte. In den Super- und Hypermärkten sah es vor zwei Jahren so aus wie hier in der Hygiene-Abteilung vom real,- um's Eck.
Jeder zweite [1] Kabarettist hat damals seine Witzchen gerissen über den analen Charakter von uns Deutschen und auf die Franzosen verwiesen, die angeblich eher Rotwein und Kondome horten würden. Was viele nicht wissen: Die Franzosen nehmen ein wönziges Schlöckchen aus der Rotweinflasche, stülpen dann ein - idealerweise ungebrauchtes - Kondom über den Flaschenhals und trinken für den Rest der Feier O-Raaschensaft.
Im Vertrauen und im Nachhinein halte ich die Geschichte mit den rotweinfickenden Franzosen sowieso für eine Erfindung der Medien.
Weil?
Weil nämlich in Deutschland im ersten Corona-Frühjahr die Umsätze von Kondomen regelrecht explodiert sind.
"Über die Social Media Kanäle verbreitet sich gerade die Meldung, dass die Franzosen sich in der aktuellen Corona-Krise mit Rotwein und Kondomen eindecken, wohingegen die Deutschen Mehl und Klopapier horten.
'Das können wir so nicht bestätigen', sagt Robert Richter, Geschäftsführer der Ritex GmbH. Die Nachfrage nach Ritex Kondomen habe sich im aktuellen Monat gegenüber dem Vorjahreszeitraum fast verdoppelt. 'Wir sehen hier sicherlich Vorratskäufe, um auch bei denkbaren Versorgungsengpässen nicht auf intime Zweisamkeit verzichten zu müssen", so Richter weiter.'" (Südwestpresse, 18. März 2020)
In Italien habe es, so wurde damals berichtet, keinen Ansturm auf's Toilettenpapier gegeben, denn in Italien habe es in fast jedem Haus, fast jeder Wohnung ein Bidet zur hygienischen Unterleibswaschung. Wie der Name nahelegt ist das Bidet eine französische Erfindung, was die Zurückhaltung der Franzosen beim Kackblatthorten erklären könnte. In Joseph Breitbachs Roman "Das blaue Bidet", 1982 mit dem großartigen Klaus Schwarzkopf für's Fernsehen verfilmt, wird das Bidet allerdings als "Geschenk des Orients an das Abendland" bezeichnet.
Ein bisserl Recherche und die Toilettenpapierlegende vom anal fixierten Deutschen bröckelt. "Unter Hashtags wie #toiletpapergate oder #toiletpapercrisis kursieren Fotos von Menschen, die Wagenladungen voller Klopapier an die Kasse schieben. Im Februar fingen Bewaffnete in Hongkong eine Lieferung Toilettenpapier im Wert von 200 Euro ab. Auf Youtube zeigt ein Video [2], wie sich in einem australischen Supermarkt drei Frauen schubsen und an den Haaren ziehen, um die letzte Packung zu ergattern."
In meinem Hause gilt: Eine Wahrheit bleibt nur solange wahr, bis es an's Abspülen geht. Beim Abspülen oder sonst einer Tätigkeit, die mein Hirn kaum beansprucht höre ich mir nämlich gerne Podcasts oder dergleichen an. In einem Podcast der Bundeszentrale für politische Bildung über Fake News und ihre Bekämpfung höre ich nämlich, daß das Kackblatthorten in China begonnen hat. Eine Firma, die Toilettenpapier herstellt, habe nämlich das Gerücht ausgestreut, Toilettenpapier bestehe aus dem gleichen Material wie die Schutzmasken und werde deshalb in Kürze sehr knapp werden. Der "anale Charakter" stellt sich als ganz normaler Kapitalismus heraus.
Inzwischen soll es bereits wieder zu Hamsterkäufen von Klopapier gekommen sein, diesmal ist es offensichtlich der Krieg in der Ukraine. Der Zusammenhang zwischen Ukraine und Kackblättern ist mir nicht ganz klar, es gibt keine Kackblatt-Pipeline durch die Ukraine, auch von Kack-Stream 2 durch die Ostsee ist mir nichts bekannt. Ich vermute mal, die Leute denken, in der damaligen Krise war das Horten von Klopapier keine so ganz schlechte Idee, das machen wir wieder. Es kann aber auch anders sein, womöglich ist der Durchmesser von Klopapierrollen exakt gleich groß wie das Kaliber sowjetischer Panzerkanonen und der querdenkgeschulte Narr sieht da - wie überall sonst - einen Zusammenhang.
Das Wort "sowjetisch" an dieser Stelle ist weder ein Schreibfehler noch eine Bildungslücke. Bei der russischen Armee in der Ukraine sind anscheinend sehr viele Panzer aus der Guten Alten Sowjetzeit (GAS) im Einsatz. Von der Achtziger-Jahre-Friedensbewegung lernen heißt Sparen lernen: "Keine neuen Atombomben, solange die alten noch nicht verbraucht sind!" hieß es damals. Und der hochkapitalistischen Sowjetunion von heute geht es wirtschaftlich auch nicht mehr so gut. Präsident James Bondin steht das Wasser anscheinend schon bis zum Hals, so daß er für ein paar Kröten Reklame machen muß für eine Schweizer Uhrenmarke.
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[1] Mindestens!
[2] Dieses Video ist vielleicht noch im Netz vorhanden, es ist allerdings nicht mehr unter dem angegebenen Link erreichbar.