Fundamentalisten und Änderungstheologen

Seit dem modernen Menschen der Glaube an einen Gott und an ein Jenseits abhanden gekommen ist, stufen wir die Glaubensstärke von Menschen gerne in einer Tabelle ab, vom strenggläubigen Fundamentalisten über den nach Glaubensreform rufenden Modernisten bis zum Kirchensteuerheiden.

Die drei großen monotheistischen Religionen - Judentum, Christentum und Islam - sind aber keine Baukastenreligionen, aus denen ich mir je nach Gusto eine Weisheit hier, einen Glaubenssatz da herauspicke, um mir eine private, kommode Individualreligion zusammenzubauen. Es sind Offenbarungsreligionen, ihr Glaubensinhalt ist in Heiligen Büchern festgelegt, an diesen Glaubenssätzen läßt sich nicht deuteln. Wem die Bibel Gottes Wort ist, dem muß sie es ganz sein. Wem die Bibel nicht kompromißlos Gottes Wort ist, mag ein ehrenwerter Mensch sein, ein Christ ist er nicht.

* Da in der Bibel homosexueller Geschlechtsverkehr verdammt wird, ganz eindeutig verdammt wird, muß sich der homosexuelle Christ, der seiner sündigen Lust nachgibt, im Stande der Sünde sehen. Das Recht, dieses Verbot unvernünftig und unmenschlich zu finden, hat er; aber er hat es nicht innerhalb einer der christlichen Religionsgemeinschaften. Punkt.

* Das Wort des Apostels Paulus, das Weib habe in der Gemeinde zu schweigen, steht und gilt noch immer. Zwanglos ist daraus abzuleiten, daß Frauen kein Priesteramt in der Kirche ausüben dürfen. Ich finde jede Menge Argumente gegen dieses Verbot in der Vernunft. In der Bibel finde ich sie nicht.

An einer Offenbarungsreligion ist nichts zu reformieren. Sie steht. Sie steht entweder ganz da oder gar nicht. Wer einen in den Heiligen Büchern formulierten Glaubenssatz aus ihr herausbricht, bringt das ganze Gebäude des Glaubens zum Einsturz.

Ich bin demnach entweder ein strenggläubiger Fundamentalist oder ich stehe bereits außerhalb des Glaubens.

Ich weiß auch, daß diese Beschreibung von Religiosität nicht die empirische Wirklichkeit wiedergibt. Diese Wirklichkeit ist vielmehr ein rechtes Durcheinander. Jeder holt sich aus der Bibel, aus der Überlieferung, das heraus, was ihm in den Kram paßt und tut das andere achselzuckend als "irgendwie merkwürdig" ab. Die Kirchengeschichte ist der Beweis für die Geschmeidigkeit im Anpassen an die jeweiligen Bedürfnisse. Wenn die Religion irgendwann irgendwo zwickt und zwackt geht man halt zum Änderungstheologen und läßt sie sich umdeuten. Dafür sind diese Leute schließlich da. Fachkundig machen sie den Glauben auf eine geschmeidige Weise passend und behaupten die jeweilige Neuerung dann als ehern seiend und im Grunde immer schon vorhanden gewesen.

Eine liberale, den Neuerungen aufgeschlossene Religiosität ist nichts weiter als eine spirituelle Lebensversicherung. Ein Zipfelchen vom Glauben behältst du in der Hand, nur für den Fall, daß es nach dem Tode doch ein Jenseits geben sollte. Dann zeigst du dein Zipfelchen vor, gibst es für ein ganzes Kleid aus und hoffst, dich damit in die Ewige Seligkeit zu mogeln.

Religiöse Menschen in des Wortes eigentlicher Bedeutung sind dagegen Menschen, die sich ein Leben ohne Religion nicht einmal vorstellen können.

Als wirklich religiöser Mensch bin ich religiös in einem tief-existentiellen Sinn. Das Transzendente existiert für mich so, wie das Butterbrot existiert, von dem ich abbeiße. Wenn Gott zu Abraham kommt und ihm sagt, er möchte doch bitte so freundlich sein und seinen Sohn schlachten, dann schultert Abraham das Opferbesteck und macht sich, - seufzend, aber doch - auf den Weg. Das ist Religion und nicht das Entwerfen und immer wieder neue Entwerfen von theologischen Konzepten.

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