Geboren bin ich in Gangkofen, so umra 50 km Luftlinie von Österreich entfernt. Dieser Geburtsort war mehr oder weniger Zufall, meine Eltern und gleichfalls meine ganze Mischpoke, kamen aus dem Sudetenland und es hat sie halt irgendwie nach Niederbayern gespült. Nach dem Krieg war man heilfroh, wenn man ihn irgendwie überlebt hatte, egal wo, und sei's halt Niederbayern.
Zwei Jahre später sind wir nach Eggenfelden verzogen, weit war das nicht von Gangkofen, derselbe Landkreis sogar. Von Eggenfelden waren (und sind!) es nur noch ca. 30 km Luftlinie nach Braunau am Inn. Man stelle sich das vor: Wäre ich nur 30 km weiter südlich geboren, wäre ich wahrscheinlich mit dem 8 Tage älteren Klaus Eberhartinger in Braunau in die Volksschule gegangen und wir hätten einen Ba - Ba - Banküberfall geplant.
Die Österreicher waren damals Narren, die 7 Schüllinge hingeschrieben haben, wenn sie 1 Mark meinten. Wenn du in Österreich irgendwas kaufen wolltest, dann stand da drauf, das Zeug koste 37 Schüllinge. Wenn du wissen wolltest, was das Zeug wirklich kostet, mußtest du durch 7 teilen. Damals aber war der Taschenrechner noch nicht erfunden... Ich dachte damals bei mir, die Österreicher müßten ziemliche schlaue Madl und Burschen sein, wenn sie das mit der Siebenteilung anscheinend so locker im Alltag handhaben können. Aber, so dachte ich weiter, wenn sie schon so schlau sind, warum schreiben sie nicht von vornherein die richtigen Preise hin?
Ich hab damals Österreicher für völlig durchgeknallt gehalten und das tue ich bis heute, heute mehr denn je, da ich "Fisch & Fleisch" kenne.
Die später zu mir durchgesickerte Information, ich sei als Abkömmling von Sudetendeutschen selber Österreicher habe ich verdrängt. Wer will schon für einen Bio-Österreicher gelten, wenn er sich genau so gut auch als Paßdeutscher ausgeben kann?
Was ich sagen will... Die Grenze nach Österreich war für mich der Inn. Ich war Nichtschwimmer (und bin es bis heute), was hieß, daß ich einen Fluß für eine eherne Grenze gehalten habe. Da kommst du nicht durch!
Irgendwann, ich war immer noch ziemlich klein, war ich mit meinen Eltern im Bayerischen Wald, direkt an der Grenze zur Tschechoslowakei. Ich hatte zuvor vom Eisernen Vorhang, von den stacheldrahtverhangenen Grenzbefestigungen gelesen und war nun sehr enttäuscht. Gesehen hat man nämlich nix¸ mein Vater hat irgendwie ins Ungefähre gedeutet und gemeint, dort bei den Bäumen sei die Grenze sowie der gleichnamige Zaun, dahinter, bei den anderen Bäumen sei das Niemandsland. Das Wort "Niemandsland" fasziniert mich bis heute. Bis heute kann ich mir nix drunter vorstellen. Ich mein, irgendwer muß doch dort sein, und sei's ein Fuchs oder ein Hase.
Einige Jahre später kam ich auf das Gymnasium Pfarrkirchen ([1]) und hab Geschichte gelernt. Wir hatten den Historischen Weltatlas, den ich zweimal die Woche auf meinem zarten Kinderrücken ins Gymnasium tragen mußte. In diesem Historischen Weltatlas konnte ich die Grenzen von Preußen und Polen und Rußland sehen, sowie jene zwischen Dings- und Bumsistan. Irgendwann war dann für geraume Zeit Polen verschwunden, zu einer Zeit als es Deutschland noch gar nicht gab. Wie kann ein ganzes Land plötzlich verschwinden? Was man dem Historischen Weltatlas ebenfalls entnehmen konnte, war, daß sich diese Grenzen häufig änderten, nicht selten alle paar Jahre. Vor meinem geistigen Auge sah ich riesige Gruppen von Stachel- und Maschendrahtzaunverschiebern, die emsig durch die Landschaft stapften und die Grenzzäune auf den jeweils aktuellen Stand brachten.
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[1] Also noch näher an Braunau dran.