Läppidoitsch ist eine Sprachmode, die sich zunehmend breit macht. Jeder Einfall, der nicht ganz offensichtlich schwachsinnig ist, jedes Produkt, an dem es, abgesehen vom üblichen, nichts zu meckern gibt, ist heute "genial". Jede Sache, die nicht ausgesprochen schlecht ist, vielleicht sogar gut, ist heute (das heißt schon seit über zwanzig Jahren) "super". Und weil "super" viel zu schwer zu schreiben und vor allem zu sprechen ist, nennt man das auch gerne "supi".
Und diese... nein, nicht Kinder-, sondern Babysprache (1), breitet sich aus. Der Stuttgarter Platz in Berlin ist der Stutti, das Kottbuser Tor ist das Kotti und was das "Kutschi" ist, finde ich auch noch raus. Meiner Erinnerung nach kam diese Sprachmode so richtig fett (umgangssprachlich für "deutlich", "weit verbreitet" ) in den neunziger oder vielleicht sogar schon späten achtziger Jahren auf. Damals ging der Studi in die Bibi, Schumi profilierte sich als Rennfahrer und Klinsi war der Trainer, Schweini sein Star im Fusi. Der Depri neigt unter diesen Umständen zum Sui. (Nein, auch das mit dem "Depri" und dem "Sui" habe ich nicht erfunden, sondern im Internet gefunden. Es bedeutet genau das, was du dir jetzt in deinen wilden Fieberphantasien denkst.)
In Berlin-Kreuzberg (2) findet man das hier dokumentierte "Späti am Schlesi". Das "Schlesi" ist das Schlesische Tor, ein "Späti" ist... wie erklär ich's nur? Ein Späti ist ein Spätkauf, also ein Laden, der bis in die späte (!) Nacht hinein (3) dringend benötigte Waren des täglichen Bedarfs verkauft. (Hier ein Blick in einen Berliner Späti.)
Die Spätis sind noch ein Relikt aus der Inselzeit von West-Berlin (4). Damals galt das bundesdeutsche Ladenschlußgesetz nicht in Berlin, die Geschäfte konnten öffnen und schließen, wie sie lustig waren. Heute gilt das Ladenschlußgesetz zwar auch in Berlin, aber Berlin ist das Neapel von nördlich der Alpen: Gesetze sind unverbindliche Empfehlungen. Wenn der Berliner um 11 Uhr meint, er bräuchte für den Mitternachtskrimi noch gesalzene Erdnüsse, dann geht er zum Späti und kauft sich welche. Deswegen hat der Berliner bis heute nicht gelernt, 24 Stunden im voraus zu denken.
Das Aufmerksamkeitsfenster eines Berliners ist irgendwo zwischen 3 Sekunden und sieben Minuten. Die mit den sieben Minuten gelten bereits als Spitzen-Intellektuelle, die aber aus jeder anderen deutschen Universität rausflögen.
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(1) Ich habe mit meinen Kindern nie-mals Babysprache gesprochen, sondern - buchstäblich und wortwörtlich von der Nabelschnur weg - gepflegtes Hochdeutsch. Den Dialekt, dachten wir uns damals, lernen sie auf der Straße sowieso. Und so war's dann auch.
(2) Ayshe und Ali Öztürk und all die anderen Eingeborenen von Kreuzberg schreiben übrigens X-Berg. Eine radikale Gruppe islamistischer Syrer wollte einmal die ortsansässigen Türken zwingen, statt X-Berg Halbmondsberg zu schreiben. Dem Vernehmen nach hat sich das nicht durchgesetzt, weil es viel zu schwer zu schreiben und vor allem zu sprechen ist. Zudem sollen die Syrer bald schon als Steirer entlarvt worden sein.
(3) Einige der Spätis haben rund um die Uhr geöffnet.
(4) Auch in der DDR hat's Spätis gegeben, obwohl die dort keinen so läppischen Namen hatten.