Letztes Jahr im April auf dem Weg zum real,-Markt, es hatte nur wenige Grad über Null. Auf dem Gehsteig steht ein Radlerin, Kapuze hochgezogen und Schal vor dem Gesicht, nur die Augen sind frei.
"Corona, Kälte oder Muslima?" frag ich sie. Es sei die Kälte, meint er [1]. Und im übrigen sei er Katholik, wobei er lacht [2].
2017 hat man noch allenthalben in Österreich und Deutschland darüber diskutiert, ob man nicht den Niquab, also die Vollverschleierung muslimischer Frauen verbieten sollte, denn erstens könne man beim Niquab das Gesicht nicht mehr erkennen und zweitens... überhaupt. Man fürchtete den Untergang des Christlichen Abendlandes, falls man die Gesichtsverschleierung erlauben würde und tatsächlich wurde im Hosenscheißerland Österreich im Herbst 2017 das sogenannte Gesichtsverhüllungsverbot erlassen.
Die Begründung für das Gesichtsverhüllungsverbot war damals, daß man es nicht dulden wollte, daß sich jemand in der Öffentlichkeit mit maskiertem Gesicht zeige. Begründung war nicht - darauf legte man Wert -, daß man das textile Bekenntnis der religiösen Überzeugung verbieten wolle. Nein, gotzwüln, das Verhüllungsverbot richte sich doch nicht gegen Muselmänner und vor allem nicht gegen -frauen.
Und dann ist auf dem Deckblatt der offiziellen Broschüre des Innenministeriums genau die Muslima zu sehen, gegen die sich die neue Verordnung auf gar keinen Fall richtet. Und die Fremdsprachen in der Broschüre sind neben dem unvermeidlichen Englisch noch Türkisch und Arabisch, nicht Kroatisch, Slowenisch oder Ungarisch, die neben Deutsch offizielle Amtssprachen in Österreich sind.
Der kleine Moritz denkt manchmal, in den Ministerien säßen die kompetentesten Juristen des Landes. Pessimisten glauben, daß es genau so ist. Die Leute, die diese Broschüre gestaltet haben und jene, die sie durchgewunken haben, würde ich gnadenlos rausschmeißen oder - so unkündbar - in das hinterletzte, unterirdische Archiv versetzen. Das müssen Idioten sein, so was von dermaßene Idioten, ich trau's mir nicht vorstellen. Andererseits... Wenn [3] diese Spitzenbeamten in den Ministerien wirklich die rechtskundige Elite Österreichs sind, dann müssen demnach die restlichen Rechtskundigen noch viel größere Idioten sein.
Was sich die Wirklichkeit manchmal mit uns erlaubt, traut sich kein Dichter erfinden.
Dann aber, Leute, wurd's noch lustiger, dann kam nämlich Corona. Ab dem 6. April 2020 galt (und gilt?) in Österreich Maskenpflicht beim Einkauf und in den Öffentlichen Verkehrsmitteln. Seit damals siehst du im Bushäusl und im Bus muslimische Frauen mit dem traditionellen Kopftuch, vor Mund und Nase tragen sie die FFP2-Maske, so daß nur noch die Augen sichtbar sind. Der perfekte Niquab, nur daß er diesmal nicht verboten, sondern vorgeschrieben ist. Eh ich's vergesse: Das Gesichtsverhüllungsverbot vom Herbst 2017 gilt natürlich weiterhin.
Das wäre so schlimm jetzt wieder nicht, "denn ein vollkommener Widerspruch bleibt gleich geheimnisvoll für Kluge wie für Toren". (Goethe "Faust", Hexenküche)
Über den Widerspruch zwischen Maskenzwang und gleichzeitigem Maskenverbot könnte man ja diskutieren, man könnte darüber lachen, blödeln. Aber... man tut es nicht. Man tut, als wär da nix. So wie noch niemals drüber diskutiert wurde, warum es für Soldaten keine gesetzlich festgeschriebene Ausnahme vom allgemeinen Tötungsverbot gibt. Das elementarste Menschenrecht, dessen Verletzung normalerweise strengstens bestraft wird, ist für Soldaten außer Kraft. Seit Generationen wird schweigend darüber hinweggesehen. Und das in den zwei [4] deutschsprachigen Ländern, in denen die Höhe von Gehsteigen und das Kacken von Hunden in Parks penibel genau geregelt ist.
Ach.
[1] Jetzt, da er spricht kann ich das Geschlecht erkennen.
[2] Wobei ich mich frage, was es zu lachen gibt, wenn einer Katholik ist. Ich mein, das ist eine ernste Diagnose, Corona ist ein Lercherlschaas dagegen.
[3] Wenn.
[4] Drei? Wie steht's damit in der Schweiz?