"Es fühlt sich an, als ob ein Regal mit Micky-Maus-Heften gegen Dostojewski und Tolstoi getauscht wurde" twitterte einer, als in Österreich die Zivilisation eingeführt wurde.

Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie Österreich jetzt dastünde, wenn damals der Hofer Bundespräsident geworden wäre. Der Leader of the Pack als Sheriff, ein Katastrophen-Szenario.

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß der (mir) unbekannte Tweeter offensichtlich von Tolstoi und Dostojewski deutlich mehr Ahnung hat als von Micky Maus. Die deutschsprachigen Micky-Maus-Hefte [1] haben nämlich das Denken und die Sprache von zwei bis drei Generationen junger Leute ausgesprochen positiv geprägt. Jahre vor der antiautoritären Bewegung waren Tick, Trick und Track respektlose Identifikationsfiguren und Vorbilder der Kinder in den fünfziger Jahren. Sie hatten den Durchblick, sie behielten den Überblick, ihnen gegenüber standen ein vertrottelter Donald und ein nicht minder verblödeter Raffzahn Dagobert. Die Skepsis gegenüber Erwachsenen haben wir seinerzeit früh gelernt.

1951 wurde Dr. Erika Fuchs, die Kunstgeschichte studiert hatte, dazu Archäologie und mittelalterliche Geschichte, Chefredakteurin der Micky-Maus-Hefte. Bis 1988 übersetzte sie die amerikanischen Vorlagen vor allem der Donald-Duck-Geschichten.

Ihre Übersetzungen enthielten - anders als die englischsprachigen Vorlagen - zahllose versteckte Zitate und literarische Anspielungen. So war sie, als hervorragende Literaturkennerin, der festen Überzeugung, man könne als Übersetzerin von Comics nicht gebildet genug sein. Die Nähe zur deutschen Klassik scheint etwa auf, wenn Tick, Trick und Track sich angelehnt an Schillers Version des Rütlischwurs versprechen: "Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern / in keiner Not uns waschen und Gefahr."“Auch der fast immer als ihre Schöpfung bezeichnete Spruch: "Dem Inscheniör ist nichts zu schwör" ist keine eigene Erfindung, sondern eine Abwandlung der ersten Zeile des Ingenieurlieds von Heinrich Seidel.

Von den auf den Wortstamm verkürzten Verben, mit denen nicht nur, wie zuvor bekannt, Geräusche (Onomatopoesie) beschrieben werden (z. B. schluck, stöhn, knarr, klimper), sondern auch lautlose (psychische) Vorgänge markiert werden (z. B. grübel, zitter, schudder), rührt der Ausdruck Erikativ.

Ihr Einfluss im alltäglichen Sprachgebrauch und in der Popkultur ist bis heute enorm.

Erika Fuchs hat in den Augen ihrer Bewunderer mit ihren eigenschöpferischen Übersetzungen eine eigene Welt erschaffen, die in der sogenannten Donaldistik Ausdruck findet. Unter anderem im Feuilleton der Frankfurter Allgemeine Zeitung erscheinen regelmäßig von Erika Fuchs stammende Donald-Duck-Zitate in schöngeistigem Zusammenhang - vornehmlich als Titelzeilen und Bildunterschriften.

Wikipedia hat Dr. Fuchs einen langen Artikel gewidmet, aus dem ich oben zitiert habe.

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[1] Über die amerikanischen Originale weiß ich zu wenig, um darüber eine auch nur leidlich fundierte Aussage zu machen.

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