Als der Journalist Deniz Yücel noch nicht Gast von Recep Tayyip Erdoğan war, moderierte er für die taz eine Podiumsdiskussion mit dem Titel "Meine Damen und Herren, liebe N-Wörter und Innen".

Lassen wir Yücel selbst berichten: "Alle auf dem Podium wissen um den Zusammenhang von Sprache und Herrschaft, niemand bestreitet das Fortleben von Rassismus. Dennoch kommt es kurz vor Schluss zum Eklat.

Gut zwanzig Leute versuchen zu verhindern, dass der Moderator (ich) eine Passage aus einem historischen Dokument vorträgt. Die Gruppe beginnt einen Tumult, brüllt und wird von einem die Contenance nicht mehr ganz wahrenden Moderator (auch ich) niedergebrüllt („Geht bügeln!“). Schließlich verlässt die Gruppe den Raum.

Bei dem Text, mit dem der Moderator (wieder ich) den Ärger der vornehmlich studentischen Aktivisten auf sich zieht, handelt es sich um die berühmte Rede von Martin Luther King aus dem Jahr 1963: „But one hundred years later the Negro still is not free.“ In der Übersetzung der amerikanischen Botschaft: "Aber einhundert Jahre später ist der Neger immer noch nicht frei.“

Noch mal: Antirassistische Aktivisten wollen verhindern, dass aus einer Rede, dass aus der Rede von Martin Luther King zitiert wird. Sie kreischen den Moderator (immer mich) an: „Sag das Wort nicht! Sag das Wort nicht!“

Schon zuvor halten sich einige dieser Aktivisten krampfhaft die Ohren zu, als der Moderator (also ich) aus einem saudummen Text von Adorno vorliest sowie die umstrittene Passage aus Otfried Preußlers Kinderbuch "Die kleine Hexe", wobei das Wort "Negerlein" fällt.

Ein anderes, eher lustiges Beispiel für phobisches Verhalten gegenüber dem Wort "Neger": Im nachfolgend verlinkten Video geht es um einen Rechtschreibwettbewerb für Schüler in den USA. Der Kandidat bekommt das Wort "negus" (amerikanisch gesprochen wie "nigas/niggas";) als Aufgabe. Er bekommt die korrekte Definition "amharisches Wort für den früheren äthiopischen König" aber [1] er kann, nein, er will die korrekte Schreibweise nicht finden. Er windet sich vor Verlegenheit. "Ich kann doch hier nicht 'niggas' oder gar 'niggers' schreiben", scheint er in seiner Verzweiflung zu denken. Dann konstruiert er sich eine Schreibweise, die man im Amerikanischen ebenfalls wie "niggas" aussprechen muß - und ist völlig baff, als er erfährt, daß das die richtige Antwort ist.

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[1] Der letzte Kaiser des Landes der Menschen mit verbranntem Gesicht, Haile Selassie, wurde seinerzeit als "negus negesti" bezeichnet, angeblich bedeutet das Wort "König der Könige"

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