Es ist inzwischen über 15 Jahre her, damals wohnte ich aus beruflichen Gründen vor­übergehend bei meiner Mutter.

Ich hocke also eines Tages beim Abendessen in der Küche, während meine Mutter im Wohnzimmer gerade eine Vorabendserie mit Werbeumrahmung guckt. Plötzlich höre ich vom Fernseher einen Sprecher fröhlich quaken: "Verbotene Liebe mit Maggi-To­ma­ten­ket­chup macht einfach Spaß".

Eine ganze Weile sitze ich da wie vom Donner gerührt, entschließe mich dann aber, das Ganze auf einen Hörfehler meinerseits zu schieben, zu unglaublich erscheint mir das Gehörte. Tags drauf jedoch, gleiche Szene, gleicher Spruch. Und diesmal habe ich mich mit Sicherheit nicht verhört.

Ich möchte mich jetzt nicht weiter drüber auslassen, wie "verbotene Liebe mit Maggi-Tomatenketchup" rein technisch aussehen könnte, gestatte mir in diesem Zusammenhang lediglich die Anmerkung, daß es für den männlichen Maggi-Liebhaber möglicherweise - im Wortsinne - sehr eng werden könnte. Aber gut: Jeder Erwachsene kann und muß wissen, was er macht und vielleicht ist in diesen Zeiten von AIDS der Sex mit Tomatenketchup tatsächlich die gesündere Alternative zu promiskem Geschlechtsverkehr mit Frauen oder Männern, gleich welchen Geschlechts.

Kann sein.

Was ich aber nicht - und zwar überhaupt nicht - verstehen kann, ist die Tatsache, daß man einen dermaßen frivolen Werbespot im Vorabendprogramm bringt, zu einer Zeit also, da viele Jugendliche, ja Kinder, noch fleißig am Gucken sind. Man muß die Kids doch wirklich nicht auf derartige Gedanken bringen!

Es gab mal Leute - und es gibt sie dem Vernehmen nach immer noch - die Tomatenketchup essen. Vielleicht sollte die Firma Maggi ihre Kunden mal darauf aufmerksam machen.

Apropos Schweinereien und Maggi. Der Dramatiker und Lyriker Frank Wedekind hat in den Stücken "Lulu", "Frühlingserwachen" und "Der Marquis von Keith" die Grenzen seiner Zeit bei der Darstellung von Sexualität ausgereizt und mehr als einmal überschritten.

Die meisten werden das wissen.

Was viele vermutlich nicht wissen ist, daß Wedekind als junger Mann (als Schriftsteller noch völlig unbekannt) der erste Werbechef der Firma Maggi war, wahrscheinlich einer der ersten Menschen überhaupt, die in der Konsumartikelwerbung arbeiteten. Firmenchef Julius Maggi war begeistert von ihm und seinen Werken.

Diesem Gedicht etwa:

"Vater, mein Vater!

Ich werde nicht Soldat,

Dieweil man bei der Infanterie,

Nicht Maggi-Suppen hat."

"Söhnchen, mein Söhnchen!

Kommst du erst zu den Truppen,

So ißt man dort auch längst nur

Maggi's Fleischconservensuppen."

Man kann also auch ohne Schweinereien für Maggi Reklame machen.

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