Zu Zeiten der k. u. k.-Donaumonarchie gab es noch die Zeitungszensur: Jede Meldung mußte vor Erscheinen erst vom Zensor genehmigt werden.
Oberst Alfred Redl, ein sehr hoher Offizier im Geheimdienst der österreichischen Armee, war vor dem Ersten Weltkrieg (ja, ich weiß, so ganz aktuell ist dieser Blogbeitrag nicht) Spion für die Russen. Er hatte die österreichischen Aufmarschpläne gegen Rußland verraten, hatte österreichische und deutsche Spione auffliegen lassen. Der österreichische Abgeordnete zum Reichsrat Graf Adalbert Sternberg meinte nach dem Krieg: "Redl lieferte unsere Geheimnisse den Russen aus und verhinderte, daß wir die russischen Geheimnisse durch Spione erfuhren. So blieb den Österreichern und Deutschen im Jahre 1914 die Existenz von 75 Divisionen, die mehr als die gesamte österreichisch-ungarische Armee ausmachten, unbekannt. Hätten wir klargesehen, dann hätten unsere Generäle den Hofwürdenträger (Kaiser) nicht zur Kriegserklärung getrieben."
Eine hochbrisante Angelegenheit also. Hätte man Redl nicht in den "Selbstmord" getrieben, sondern stattdessen die ganzen Ausmaße der geflossenen und abgeblockten Informationen untersucht, so wäre der Erste Weltkrieg ganz anders gelaufen. Oder, man wagt kaum, dergleichen zu denken, er wäre gar nicht geschehen.
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Wie auch immer: Im Mai 1913 war Alfred Redl aufgeflogen und man hatte ihm nahegelegt, sich selbst zu erschießen, da man diese blamable Affäre vertuschen wollte. Nach getanem Suizid ging man daran, in Redls Wohnung in Prag eine Hausdurchsuchung zu machen. Da es Sonntag war, konnte man keinen Handwerker der Armee finden, und ließ deshalb einen zivilen Schlosser holen. Dieser Handwerker gehörte der Fußballmannschaft des FC Sturm Prag an und versäumte durch den Auftrag ein wichtiges Spiel. So was geht gar nicht und so wurde er vom Ehrenvorsitzenden des Vereins gerügt. Um sich zu rechtfertigen, erzählte er die ganze Geschichte. Der Ehrenvorsitzende aber war der Lokalreporter der deutschsprachigen Prager Zeitung Bohemia, ein gewisser Egon Erwin Kisch.
Kisch konnte sich nach einigen - vergeblichen, weil abgeschmetterten - Recherchen den Rest der Geschichte zusammenreimen. Eine Bombenstory für einen Lokalreporter. Kisch war klar, daß er diese Geschichte niemals durch die Zeitungszensur bekommen würde.
Was machte er?
Er brachte ein Dementi. Er meldete, in der Stadt umlaufende Gerüchte, es sei Oberst Redl als Spion der Russen enttarnt worden und habe Selbstmord begangen, entbehrten jeglicher Grundlage. Das Dementi eines Gerüchtes, das es zuvor gar nicht gegeben hatte, denn die Geheimhaltung der österreichischen Armee hatte funktioniert, wurde gebracht und jetzt hagelte es Nachfragen bei der Armeeführung, die so hartnäckig waren, daß man schließlich zugeben mußte, daß die Nachricht von Oberst Redls Enttarnung wahr sei.