Wie ich einmal fast ein Kulturschmock geworden wäre

Als Schüler wollte ich mal cool sein, obwohl es das Wort "cool" im Sinne von "cool" noch gar nicht gab. Ich kaufte mir eine Pfeife, genauer gesagt deren mehrere, und erlernte mühsam die Kunst des Pfeifestopfens. Günter Grass, Max Frisch und andere Kulturschmocks ließen sich damals nämlich gerne mit Pfeife fotografieren und so ein Kulturschmock wollte ich seinerzeit auch mal werden. Abgesehen davon hat eine fremdgeschmauchte Pfeife einen ungemein angenehmen Geruch verströmt. Eine selbstgerauchte Pfeife dagegen hat, wurscht welche Tabaksorte ich wählte, noch stets einen aasigen Odem verbreitet.

Dann las ich in einem Fachblatt für Kulturschmocks (ich glaub, es war DIE ZEIT), die Lieblingstabaksorte von Max Frisch sei der "Early Morning Tobacco". Vom Tabakshändler erfuhr ich, diese Sorte sei mehr als doppelt so teuer wie die gängigen Sorten. Nichtsdestotrotz erwarb ich eine Flachdose davon und rauchte sie. Das Aroma erinnerte ganz schwer an Kernseife, es erforderte viel Disziplin, den erworbenen Vorrat aufzurauchen.

Diese Erfahrung hat nicht ausgereicht, mir den Drang nach Kunst auszutreiben. Wenig später las ich (welcher Teufel hat die Schrift erfunden?), es sei der Absinth die Droge der Kreativen, Charles Baudelaire, Paul Gauguin, Vincent van Gogh, Ernest Hemingway, Edgar Allan Poe, Arthur Rimbaud, Henri de Toulouse-Lautrec und Oscar Wilde. Ein rauschhaftes Oeuvre hinterlassen und dann mit ca. 40 verblöden. Während ich noch grübelte, ob ich mir das Ohr abschneiden oder mich doch lieber erschießen sollte (1), mußte ich mit der Information fertig werden, es gebe im ganzen Rottal keine einzig legal zu erwerbende Flasche Absinth.

Die Kulturpolitik der CSU ist bis heute katastrophal.

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(1) Schwul zu werden, wie es Oscar Wilde war, erschien mir dann doch zu arg.

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