Seit vielen Jahren (wahrscheinlich noch aus den Siebzigern) habe ich folgenden Ausspruch in meiner Zitatensammlung (an vorderster Stelle, quasi als Motto) stehen:
Kein Geringerer als Leonardo da Vinci lehrt uns: "Wer immer nur Autoritäten zitiert macht zwar von seinem Gedächtnis Gebrauch, doch nicht von seinem Verstand."
Und dann mußte ich eines Tages erfahren, daß dies ein Gedicht von Erich Fried ist, genauer: ein Teil eines Gedichtes von Erich Fried. Das ganze Gedicht geht aber so:
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Befreiung von den großen Vorbildern
Kein Geringerer
als Leonardo da Vinci
lehrt uns
"Wer immer nur Autoritäten zitiert
macht zwar von seinem Gedächtnis Gebrauch
doch nicht
von seinem Verstand."
Prägt euch das endlich ein:
Mit Leonardo weg von den Autoritäten!
Es ist ein Wahnsinn! In der obigen Fassung ist der Spruch absolut wunderbar. Er geht zunächst ganz widerstandslos runter, bis man schließlich mit ein- bis mehrsekündiger Verspätung den Widerhaken merkt: Der Spruch ist sein eigener Widerspruch.
Und dann die Holzhammer-Fassung von Erich Fríed: Schon die Überschrift lenkt den Leser auf die pädagogische Intention von Fried. Und wer es bis zum Ende des Spruchs (Gedicht möchte ich das Ding gar nicht nennen) immer noch nicht kapiert hat, was der Erich damit meint, dem haut er es mit dem Nachsatz in's Gehirn, bis es auch der Schlichteste noch merken muß.
Der ganze Witz ist beim Deibel.