Jetzt wird der Bundespräsident gewählt. Viele stellen sich ja die Frage, wofür man da überhaupt hingehen soll. Angeblich hat der Präsident eh nichts zu sagen und schon gar nichts zu entscheiden. Ganz wahr ist das nicht: Theoretisch kann der BP jeden der ihm passt zum Bundeskanzler ernennen. Dass er normalerweise den Wahlgewinner dazu ernennt ist sinnvoll, aber nicht vorgeschrieben. Er kann die Regierung absetzen und Neuwahlen anordnen, und zwar wann und so oft wie es ihm passt. Abgesehen davon kommandiert er das Bundesheer, kann Begnadigungen aussprechen und geht auf Staatsbesuch. Man könnte glauben, er (oder sie) ist eine der mächtigsten Menschen in Österreich.
In der Praxis schaut es etwas anders aus. Da der Bundespräsident immer entweder rot oder schwarz war, stand er immer voll auf Parteilinie. Nur Klestil versuchte zeitweise sich zu beteiligen, kam damit aber gegen die eigene Partei nicht weit.
Diese Zeit ist vorbei. Zum ersten Mal kommt kein Kandidat der SPÖ oder ÖVP unter die ersten drei. So wies ausschaut ist für Van der Bellen, Griss oder Hofer alles möglich, für Hundstorfer und Khol ist dagegen gar nichts möglich.
Da bleibt es spannend bis zum Schluss. Noch nie hat es einen Bundespräsidenten gegeben, der nicht der Regierungspartei angehört hat, dieses Mal geht es gar nicht anders. Ein Grüner, ein Blauer oder eine Parteilose gegen die Rot-Schwarze Regierung. Die Macht der beiden Großparteien schmilzt dahin, die Wähler, vor allem die Jungen, entscheiden sich immer häufiger für Blau oder Grün. Schwarz oder Rot? Das wählen doch nur die Alten. NEOS? Die verschwinden eh wieder, so wie das LIF. Viele denken heute so.
Da hilft es auch nichts mehr, dass Sebastian Kurz den Hardliner mimt, den Zuwachs Richtung FPÖ kann er auch nicht mehr verhindern.
Ich stelle mir manchmal schon die Frage warum. Eigentlich ist es in Österreich nicht so unerträglich. Die Regierung macht ihren Job jetzt nicht so grottenschlecht, dass man sie abschaffen müsste. Auch unsere Gesellschaft scheint im Großen und Ganzen zu funktionieren. Irgendwie kommt man miteinander aus.
Ein bisschen liegt es vielleicht an der Kommunikation. Sofern diese überhaupt vorhanden ist. Besonders modern wirkt Andreas Kohl ja nicht gerade. Eher wie Jemand, der am liebsten in die Monarchie zurück möchte. Und was ist mit Hundstorfer? Schaut aus wie ein Beamter.
Beide vermitteln Ruhe und Verlässlichkeit, aber so ganz wahrgenomen werden sie selten. Und Spaßkandidatur von Lugner? Ausnahmsweise nicht seine eigene Idee. Die Tageszeitung Österreich hat ihn ja bekanntlich dazu aufgefordert, und für sie zog er in den Wahlkampf. So weit ist eigekommen: Die unseriöseste Boulevardzeitung des Landes kann mit bis zu 5 % der Stimmen rechnen.
Trotzdem: Es bewegt sich was in Österreich. Die Eventisierung der Politik ist genauso angekommen wie die Personenwahl. Van der Bellen, Griss, Hofer, alle drei haben sie gemeinsam, dass sie für die Abkehr vom bisherigen System stehen. Und zum ersten Mal in der Geschichte haben sie auch eine reale Chance auf das höchste Amt im Staat.
Und vor allem: Alle drei richten sich an die jüngere Wählerschaft. Rot und Schwarz sind offenbar endgültig zu Pensionistenparteien geworden. Die Unter 30-Jährigen wählen überwiegend Grün oder Blau.
Van der Bellen steht für eine Öffnung des Landes. Seine Positionen zur EU sind bekannt, er fordert eine stärkere Union. Das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA lehnt er ab. Allgemein kann man sagen, VdB ist der liberalste der Kandidaten. Obwohl er offiziell unabhängig kandidiert, stehen die Grünen natürlich hinter ihm.
Toleranz, Modernität und Offenheit sind seine Anliegen. Der blaue Hofer sieht das anders. Geht’s nach ihm wird der Staat Österreich gestärkt, nicht die Europäische Union. Der deutschnationale Burschenschafter steht für“ Law and Order“, mit straffälligen Asylwerbern soll schnell aufgeräumt werden.
Stellt sich noch die Frage, für was Griss steht. Eigentlich für nichts Konkretes. Sie wirkt unabhängig und erfahren, eine Kandidatin der Mitte eben. Die pragmatische Alternative für all jene, die mit den Weltanschauungen der Anderen nichts anfangen können.
Und noch einmal: Was kann der Bundespräsident eigentlich? Wie gesagt hat er theoretisch umfassende Rechte und Möglichkeiten in die Politik einzugreifen. Die Präsidenten von Rot und Schwarz haben sich normalerweise nicht eingemischt. Abgesehen von Klestil eben. Es ist aber nur schwer vorstellbar, dass sich Van der Bellen oder Hofer nicht einmischen. Ein Bundespräsident aus der Opposition, gegen die große Koalition im Amt, so spannend war noch keine Wahl in Österreich. Die Möglichkeiten sind wirklich unbeschränkt. Es ist ohne weiteres möglich, dass VdB einen Kanzler Strache nicht anerkennt. Was hätte er zu verlieren? Er muss sich nicht fürchten vor der Neuwahl.
Dieses Mal ist wirklich alles möglich. Van der Bellen als knapper Sieger vor Hofer oder Griss. Oder Stichwahl zwischen VdB und Hofer, oder VdB und Griss. Sicher ist nur, dass VdB, wenn auch knapp, auf dem ersten Platz liegt. Die Plätze zwei und drei sind offen und kaum vorhersagbar. Dass Lugner auf dem letzten Platz landet ist klar, Khol und Hundstorfer haben keine Chance unter die ersten drei zu kommen.
Es bleibt also spannend bis zum Schluss. Die Wahl heute wirft auch einen Blick auf die nächste Nationalratswahl 2018, und die großen Parteien Rot und Schwarz sind die klaren Verlierer dieser Entwicklung.