Den Begriff „Drohnenangriff“ kennt man aus der Politik- und Kriegsberichterstattung. Aber: Drohnen sind längst - als Spielzeug - Teil unseres Techno-Alltages geworden. Sie kosten nix. Und auch die mit Kamera sind leistbar. Das wird noch lustig.

Der Tonmann sah sie als erster. Obwohl das so nicht stimmt: Tonleute sehen mit den Ohren. Und irgendwie lernt man, aus dem Augenwinkel auch zu beobachten, wie der Tonmensch da sitzt. Oder steht: In der Regel scheinbar in sich versunken. Den Blick ins Nichts. Oder auf die Anzeigen seiner Zauberkiste. Wenn der Tonmann (es ist immer noch meist ein Mann) anfängt, suchend in der Gegend herum zu schauen, dann stimmt was nicht: Dann hört er etwas, was nicht ins Bild gehört. 70, wenn nicht 80 Prozent des Bildes macht der Ton. Sagen nicht nur Tonleute.

Wenn Sie das jetzt nicht glauben wollen, probieren Sie es einfach aus: Machen Sie mit ihrem Smartphone ein Video von Landschaft - mit dem Rücken zur Autobahn. Das Röhren der Straße wird es Nichteingeweihten so gut wie unmöglich machen, die Landschaftsbilder „gut“ zu finden. Aber wenn sie sich beim Filmen nur einmal ganz kurz zur Seite drehen, so, dass man die Straße und den Verkehr kurz sieht, wird niemand irritiert sein. Vereinfacht gesagt: 70 Prozent des Bildes sind Ton. Und: Wenn Tonleute bei einem Dreh etwas hören, das nicht ins Bild gehört, schauen sie, ob man das, was sie gerade hören, sieht. Und überlegen dann, ob die (unsichtbare) Störung so laut ist, dass man reagieren muss.

Egal. Ich schweife ab. Noch bevor ich beim Thema bin. Denn eigentlich war der Tonmann, dessen Irritation und dessen suchender Blick ich aus dem Augenwinkel bemerkte, nur der „Schuhlöffel“. Die Einstiegsmetapher. Dafür, dass da etwas ist, das erst kommt. Obwohl es eigentlich schon da ist - aber das das Publikum erst wahrnehmen muss. Darum: Read my lips – das mit den Drohnen wird noch lustig werden.

Wir drehten gerade auf den Steinhofgründen. „literaTOUR“ - meine Büchersendung auf Servus TV. Ich saß mit Doris Knecht auf einer Bank. Blick über die früh-frühlinghafte Park- und Waldlandschaft. Schließlich heißt Knechts aktueller Roman „Wald“. Das leise, entfernte Sirren hatte ich zwar auch gehört, aber nicht als Problem wahrgenommen. Bis der Tontechniker … und so weiter.

„Sorry Leute, aber: Stop!“ Er nahm den Kopfhörer ab: „Wo ist die sch… Drohne?“ Jetzt hörten alle das Sirren. „Und wo steht der Pilot?“

Das schwarze Spielzeugfluggerät stand ziemlich genau über uns. Sein Besitzer saß rund 150 Meter weit weg. Und meinte es nicht böse: Er hatte nicht stören wollen. Nur sein Spielzeug ausprobieren. Eine Drohne. Mit Kamera unten dran: „Ein Filmset von oben krieg ich ja nicht alle Tage vor die Linse. Ich stell das alles auf Youtube. Da könnt ihr Euch dann mal selber sehen.“

Der Mann entschuldigte sich - und flog in die andere Richtung: Über die Wiese. Filmte weiter. Dass es uns nicht recht sein könnte, bei der Arbeit öffentlich gemacht zu werden, nahm er zur Kenntnis. Dass das Veröffentlichen dessen, was er sonst noch filmte rechtlich eventuell sogar das weit größere Problem als unsere Dreharbeiten sein könnte, verstand er schlicht und einfach nicht: Picknickende Gruppen. Knutschende Paare im Gras. Spielende Kinder. „Wen kann den sowas stören? Außerdem ist das hier ja ein Park. Also eh öffentlich.“

Read my Lips: Die Bilder von Drohnen werden uns bald - ich tippe auf diesen Sommer - noch viel „Spaß“ bereiten. Spätestens dann, wenn irgendwer seine Elektro-Wespe mit Kamera über der FKK-Abteilung des Gänsehäufels  fliegen und filmen lässt, die Bilder an eine Gratis-Zeitung verkauft - und die gleichzeitig Stand- und Videosequenzen veröffentlicht - und empört aufschreit. Oder über den Pool der Wiener Dach-Villa an dem KHG grad seine strahlend weiße Weste in der Sonne trocknen lässt. Oder vor dem Wohnzimmerfenster von Familie Bundeskanzler. Oder drei Meter über der Westautobahn. Oder … Sie verstehen, worauf ich hinaus will?

Denn Drohnen sind längst nicht mehr Science Fiction: Man bekommt sie in jedem Spielzeugladen. Sie kosten nix. Mit ein, zwei Stunden Übung kann sogar ich so ein Ding steuern: Schon zu Weihnachten vor zwei Jahren haben wir die 20-Euro-Indoor-Hubschrauber als Standard-Geschenk an unsere Freunde verteilten. Großer Spaß, wenn der mit dem iPhone gesteuerte Hubi das erste Mal abhob - und ungesteuert in den Christbaum knallte. Noch größerer, wenn man zehn Minuten später das erste Mal NICHT im Baum landete, sondern das Ding unter Kontrolle hatte. Eine Stunde später war der Reiz dann meist ausgekostet. Cui bono?

Cui bono? Wozu das Ganze? Nun: Mit den teuren Geschwistern unserer Zimmerdrohnen kann man Krieg führen. Und tut es auch. Oder Landschaften vermessen. Naturfilme machen. Nach Öl suchen. Betreiber von schweizer (Oder französischen? Ich habe es vergessen. Egal.) Atomkraftwerken durchs bloße Überfliegen der Reaktoren in Panik versetzen.

Oder Events abfilmen: Das sah ich das erste Mal 2012 oder 2013 beim Marathon in Palma: Da schwebte plötzlich ein Dings neben mir her. Autolenkradgroß. Es blieb auf meiner Höhe. Begleitete mich gut 50 Meter durch eine enge Altstadtgasse - und zog dann weg. Nach oben. Über die Dächer. Die Aufnahme sah ich später: Aus der Closen, also von meinem Gesicht, in die Beinahe-Totale - und zwar von oben. Über den Dächern der Altstadt. Geile Bilder! Sie wurden zum Kauf angeboten. Jedem. Also jedem, dessen Startnummer erkennbar war. Das ist - mit Fotos - bei Laufevents ein eingeführtes und einträgliches Geschäft. Videos kommen da gerade dazu.

Wo der Pilot gestanden hatte? Keine Ahnung. Aber das spielt keine Rolle: Zoom plus Flug macht Heldenbild. Und das leistbar: Ein Pilot und - vielleicht - ein Kameramann. Aber: Kein Hubschrauber. Kein Getöse. Keine Genehmigung der Luftraumkontrolle. Diese Hardware kostete zwei, vielleicht dreitausend Euro - und ich rede von der Profiausstattung: Die aktuelle Jedermann-Ausgabe von Drohne-plus-Kamera gibt es um weniger als 400 Euro. Und die Kamera kann HD. Überträgt eventuell sogar direkt aus der Luft. Auf einen Speicherchip. Ins Web. Nur für den Fall, dass die Drohne verloren geht.

So wie die des Sohnes meines Nachbarn: Der hatte das Spielzeug zum Geburtstags bekommen. Saß am Balkon. Und knallte gegen die Hausmauer gegenüber. Tränen. Zwei Wochen später hatte er eine neue. Und zwei Tage später raus, wie es geht. Er schickte mir stolz einen Youtube-Link: Ich und meine Freundin beim Frühstück. Gefilmt von vor dem Fenster. Ein bisserl wacklig. Ein bisserl verspiegelt. Ein bisserl wasauchimmer. Aber schön nah dran - und hoch aufgelöst. Wir hatten nicht einmal bemerkt, dass da draußen etwas herumgeflogen war …

Der Bub - keine 13 Jahre alt - hatte natürlich nix Böses im Sinn gehabt. Oder irgendwas geplant. Sondern getan, was Naheliegend war: Auf den Knopf gedrückt. Das werden spätestens diesen Sommer noch viele tun. Dann wird es lustig. Read my Lips.

Foto © Tyler Olson - Fotolia.com

6
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
5 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Herbert Erregger

Herbert Erregger bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Alexander Davidek

Alexander Davidek bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Bernhard Juranek

Bernhard Juranek bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

steppenhund

steppenhund bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

1 Kommentare

Mehr von Thomas Rottenberg