Donuts sind schließlich auch nur Bagel. Halt in süß. Und da der Donut-Anstell-Wahnsinn mittlerweile auch Verteidiger autochthon-wienerischer Backwaren auf den Plan ruft, sei hiermit gesagt: Der Bagel ist kein Fremder - sondern ein Heimkehrer.
Lasst mich noch einmal zum Donut-Irrsinn der Vorwoche zurückkehren.
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Was bisher geschah: Die US-Franchisekette Dunkin' Donuts eröffnete auf der Wiener Mariahilfer Straße im November ihre erste Österreich-Filiale - und die Wiener spielen seither DDR-Bananencraze. Und stehen bis zu zwei Stunden Schlange, um Fett-&-Zucker-Zeugs in Ringform kaufen zu dürfen. Bei Wind & Retter, Regen, Sonne & Schnee (ok: geschneit hat es in Wien heuer noch nicht). Nicht nur am ersten oder zweiten Tag: Auch als dieser Text entstand (kurz vor Weihnachten), mäanderte sich eine nette Schlange die Hausfassaden der „MaHü“ entlang.
Mittlerweile gibt es dazu ja auch eine Verschwörungstheorie. Derzufolge warten die Wartenden gar nicht wirklich, sondern sind bezahlte Statisten. Eben weil man so Aufmerksamkeit erregt - und der Mensch als Herdentier glaubt, dass es dort, wo andere hindrängen, etwas gibt, was er auch haben will.
Die Version2.0 dieser Stadtlegende schließt dann an der Geschichte der Fußgängerzonenwerdung der Mariahilfer Straße an - und unterstellt feixend, dass nicht der US-Konzern, sondern Wiens Grüne die Wartenden bezahlen. Damit auf der MaHü gefälligst so viel Fußgängerverkehr sei, wie die Maria Vassilakou es beim Lancieren ihres Prestigeprojektes prophezeit hat. Das Feine an dieser Version: Es gibt Menschen, die tatsächlich meinen, dass „da was dran sein“ könnte. Weil halt keine Verschwörungstheorie zu blöd ist, dass irgendwer sie ernst nimmt.
Was aber wahr ist: Im Donut-Laden arbeiten ein paar der Mitarbeiter mit dem Tempo der Kontinentaldrift. Und in etwa so systematisch wie … Äh, da fällt mir jetzt nix ein. Jedenfalls überholte ich einmal die Schlange, um im Shop zu sehen, ob drin irgendwas angepriesen wird, was auch mich zum Warten verführen könnte. Aber außer zwei Mitarbeitern, die weniger mit der Logistik, dem Kassasystem oder den Kundenwünschen als mit ihren eigenen - sagen wir mal höflich - intellektuellen, kommunikativen und sozialen Defiziten rangen (und grandios unterlagen) war da nicht Erwähnenswertes.
Aber da ist noch etwas: Wien liebt es wienerisch. Gäbe es irgendeinen xenophoben Rülps-Reim auf „Donut“ hätten die blauen Brachial-Versschmiede längst losgelegt. Kann ja noch kommen.
Einstweilen aber schreiben Heimatschützer empörte Brandreden, -Nachrichten und -Posts wider amerikanische Gastro-Unkultur: Die Verhöhnung des Punschkrapfens in der Dunkin' Donuts Werbung war ein Schlag in den Magen des Wieners. Die Antwort ist klar: „Wir wehren uns“,
Der Tenor der Mail in meiner Box: Donuts seien nicht nur ausländisch, sondern - weit schlimmer - amerikanisch. Also des Teufels. In jedem Fall aber ein Anschlag auf Krapfen, Sachertorte und Co.: Der Punschkrapfen-Lochstanz-Spot illustriere das gerade zu zynisch-brutal.
Blöderweise wird das halt auch nicht richtiger, wenn der zehnte Backwaren-Artenschutz-Befürworter es nachplappert. Oder, um es mit Bruno Kreisky zu sagen: „Lernen Sie Geschichte, werte Teigwarenxenohobiker.“
Schließlich ist der Donut nur ein süßer Bagel. Dass der ein „jüdisches Gebäck" ist mag manchem Vollhirni vielleicht ein süffisantes Grinsen oder ein „das auch noch“ entlocken - aber: Analog zum Ruf Wiens als blühender Kultur- und Wissenschaftstadt des 19.Jahrhunderts mit großem jüdischen Anteil, ist das wohl auch bei manchen Backwaren. Nur ist noch niemand auf die Idee gekommen, mit dem Bagel genau das zu tun, was man mit „jüdischer Intelligenz“, die um dem Naziterror zu entgehen und zu überleben emigrieren musste, ständig tut: Ihn als Ur-Wiener auzupreisen, seine Heimkehr laut zu feiern - und den Grund der Emigration tunlich zu verschweigen.
Denn der Bagel ist Wiener. Auf jiddisch heißt er „Beigel“ - und die Legende besagt, dass ein jüdischer Wiener Bäcker den „Beigel“ als Zitat jener Steigbügel buk, in denen bei der zweiten Türkenbelagerung Wiens im Jahr 1683 die omanischen Reiter von Großwesir Kara Mustafa die Stadt in Angst und Schrecken versetzten. „Beigel“ wurden demnach als Geschenk an Johann III Sobieski überreicht: Der Polenkönig hatte das Entsatzheer befehligt, das Wien befreit hatte.
Eine andere Lesart lässt den Beigel zwei Jahre später entstehen - hat aber den gleichen Hintergrund: Kaiser Leopold I. soll da dieses Gebäck als Dank für die Hilfe zur Befreiung Wiens von den Türken durch Jan Sobieski und seiner berittenen Streitmacht herstellen lassen haben: Neben dem Kipferl (das als „Croissant“ erst in Frankreich ankam, als Maria Theresias Tochter Marie Antoinette dorthin verheiratet wurde) wäre der Bagel damit also die zweite Backware, deren Genese unmittelbar auf Wien weist.
Klingt gut. Findet sich auch auf der einen oder anderen Gedenktafel. Und streichelt das kulinarisch-nationale Ego. Bloß: Nur weil es schön klingt und beweist, dass Bagel & Donut kein Wien aufgepfropfter Ami-Dreck sind, muss es noch lange nicht die einzig wahre Geschichte sein.
Denn: Der Bagel ist älter. Bleibt aber - zumindest als „Bagel“ - jüdisch. Die erste Erwähnung eines „Bejgl“ stammt nämlich aus Krakau - und ist aus dem Jahr 1610. Polnisch-Jüdisch bleibt die Geschichte auch, weil 1619 im „Stetl“ von Krakau verfügt wurde, dass jede jüdische Mutter nach der Geburt eines Kindes einen Bejgl erhalten solle. Gut möglich, dass nicht die Wiener Bäcker (oder der Ö-Kaiser) Sobieski 1683 die Kringel schenkten, sondern er sie selbst mitbrachte.
Wobei auch die Polen - jüdisch, christlich oder welchen Glaubens auch immer - den das Ringbrot nicht erfunden haben: Schon ägyptische
Hieroglyphen zeigen ringförmiges Gebäck. Und vermutlich haben auch die Ägypter das übernommen. Ringförmigbrot hat nämlich zwei Vorteile: Zum einen kann man es auf Schnüren und Stangen gut lagern und transportieren. Zum andern ist es auf Schnüren unter der Decke aufgehängt sicher vor Nagetieren und Feuchtigkeit.
Wo die „echte“ Wiege des Donuts stand lässt sich daher unmöglich sagen. Da gäbe es schließlich noch russisches Bubilki, türkischen Simit oder „Beigerl“-Gebäck alpin-heimischer Oster-Traditionen. Und und und: Brot mit Loch und unterschiedlichem Geschmack. Mal süß, mal salzig, mal weich, mal hart gab und gibt es auf der ganzen Welt.
Auch wenn also bezweifelt werden darf, dass Wien tatsächlich die ursprüngliche Heimat von Donut & Bagel ist, ist gut möglich, dass die hohe Wiener Kunst der Brot-, Süß- und Backwaren-Veredelung ihren Anteil daran hatte, dass Donuts heute sind, was sie sind.
Nur eines ist halt definitiv falsch: Das was die Punschkrapferl-Heimwehr behauptet. Denn rundes Gebäck mit Loch war in Wien heimisch, bevor irgendjemand auch nur ahnte, dass es einmal so etwas wie eine Sachertore geben könnte.
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