Die Ordnung der Orden

Orden sind was Feines. Glauben zumindest die, die welche spazieren tragen. Viele von ihnen zumindest. Weil sie in einer Blase leben, in der man sich und den anderen Blasenbewohnern glauben muss, dass der Kaiser tatsächlich neue Kleider trägt – und nicht nackt ist: Sonst bliebe von der eigenen Aufgeblasenheit – ergo Wichtigkeit – nämlich genau gar nix übrig.

Sich und einander da gegenseitig mit Orden zu bewerfen passt ins Bild. Und wenn in Oberösterreich gerade eine fette Ordensverleih-Politgroteske läuft, erinnert mich das zum Einen daran, wie sich einst ein Piere-Brice- und ein Horst-Tappert-Double vor der Bundespräsidentschaftskanzlei aufstellten und per Transparent erklärten, sie hätten weit mehr für Österreichs Wissenschaft und Kunst getan, als Uschi Glas. Die bekam da nämlich diesen Orden umgehängt.

Was in Oberösterreich gerade abgeht? Dort ärgern sich SP und Grüne, dass Detlef Wimmer vom Land für „Verdienste um die Jugend des Landes“ einen fetten Landesorden bekommt. Wimmer ist FP-Stadtrat – und bekommt den Preis auf Antrag des RFJ. Und als Wimmer dort Chef war, plakatierte/klebte der RFJ Slogans wie „Gemischte Sorte: Zuwanderung kann tödlich sein“. Berichten die Grünen. Ich habe das zwar nicht nachgeprüft, glaube es aber sofort: Wer und was der RFJ ist, ist schließlich kein Geheimnis.

Trotzdem bin ich mir nicht ganz sicher, was für mich da gerade entlarvender und übelriechender ist: Dass die Organisation, der der Ehrungskandidat vorstand, den zu Ehrenden wegen der „Leistungen“ ebenjener Organisation vorschlägt (also sich selbst). Oder dass Rülpser wie der oben zitierte nicht per se Ausschließungsgründe für jedwede Art einer Ehrung sind.

Andererseits: Wir sind in Österreich. Und da geht eben Einiges. Und da ich mir mit den Geschmacklosigkeiten, Überheblichkeiten, Selbstherrlichkeiten, Schiebereien und Freunderlwirtschaftsagenden der heimischen Politik den Magen und den Tag lang genug dienstlich verderben lassen musste, genieße ich nun das Privileg, all diese Ekelhaftigkeiten nur noch über den Spiegel der Boulevard-Groteske zu betrachten – und zu beschreiben. Etwa die Geschichte der Frau X. Denn seit ich weiß, wie diese „Kollegin“ zu ihren hohen Würden kam, sind Orden und Ehrenzeichen für mich tatsächlich nur noch das Blech, aus dem sie gestanzt sind.

Im Gegensatz zu Uschi Glas, die als Schauspielerin doch vielen Menschen Freude gemacht hat, ist Frau X vollkommen unbekannt und leistungsfrei. Sie ist eine jener Journalistinnen, die überall dort auftauchen, wo es Buffets & Giveaways gibt. In der Branche heißen Sie „Earls of Sandwich“ – und wenn man es wagen sollte, ihnen den Zutritt zu Brot & Spielen zu verwehren oder nur zu fragen, wo man sich die von ihnen angeführten Medienprodukte denn einmal ansehen könnte, werden sie sehr schnell sehr massiv und sehr böse.

Frau X behauptet also Journalistin zu sein, obwohl noch nie jemand einen Text von ihr gesehen hat. Gott weiß: Viele haben es versucht. Doch stellt man ihre Vita in Frage, setzt sie nicht an den besten Tisch, lässt ihr keine Freikarten oder „Samples“ zukommen, wirft sie neben dem „Angriff auf die Pressefreiheit“ auch lautstark ihr „großes goldenes Ehrenzeichen der Republik für Wissenschaft und Kunst“ in die Waagschale. Das glaubt ihr zwar niemand, doch Frau X trägt den Orden zurecht. Tatsächlich. Formal zumindest. Das bestätigte mir das Büro des Bundespräsidenten.

Aber: Lassen Sie mich Ihnen die ganze Geschichte erzählen.

Frau X lebte – in den 60er-Jahren – in einer Stadt in Anderswo. Sie arbeitete in einem Café. In den 70er-Jahren kam sie heim nach Österreich. In den 90ern landete ein Antrag auf das „Große Goldene“ beim dafür Zuständigen: dem Bundespräsidenten. Frau X, hießes im Antrag, habe im Café heimische Künstler ausgestellt – und so Österreichs Ansehen gemehrt. Der Antrag kam von Österreichs Honorarkonsul vor Ort. Dem heutigen Anschein nach – so eine Hofburg-Mitarbeiterin inoffiziell – ein guter Bekannter der Dame.

Die Präsidentschaftskanzlei folgte brav dem Protokoll: Der Antrag ging zur Prüfung ans Ministerium für Wissenschaft & Kunst. Das verlangte eine Bewertung durch die Botschaft in Anderswo. Die Botschaft fragte –logisch – ihren Repräsentanten Mann vor Ort. Das war – erraten – der Honorarkonsul.

Dass er das Ansuchen geschrieben hatte, stand nicht in den Unterlagen von Ministerium und Botschaft: Es galt ja, objektiv und ohne Rücksicht auf Prominenz und „Antaucher“ zu ermitteln. Bloß „vergaß“ der Herr Honorarkonsul in seinem Report, den er alsbald an die Botschaft schickte, dann halt ein paar unwesentliche Details: Etwa dass es das Cafélängst nicht mehr gäbe. Oder dass sich – 20 Jahre danach – niemand mehr daran erinnere, welche Künstler da ausgestellt oder präsentiert worden seien. Oder welche Rolle Frau X da gespielt habe. Stattdessen bestätigte der Honorarkonsul in der fernen Stadt der österreichischen Botschaft in Anderswo schlicht und einfach, dass Österreichs Kunst und Kultur in der fernen Stadt in Anderswo ohne das segenswerte Wirken von Frau X gänzlich unbekannt geblieben wäre. Und dass Frau X daher den Orden ohne jeden Zweifel verdiene. Ach ja: Dass er derjenige gewesen war, der den Erst-Antrag an die Präsidentschaftskanzlei gestellt hatte, blieb ausgespart. Ebenso wenig wie ein mögliches Naheverhältnis zwischen der Dame und dem Honorarkonsul.

Der Bericht ging über die Botschaft ans Ministerium. Und von dort in die Hofburg. Und der Bundespräsident hängte Frau X dann den hohen Orden um – im besten Glauben. Reinen Gewissens. Dass das ausgerechnet Kurt Waldheim war, ist zwar ein Zusatzschmunzler – aber in dem Fall kann der erste Mann im Staat tatsächlich keine Ahnung von den Vorgängen gehabt haben.

Frau X jedenfalls führt den Orden seither eifrig aus und an. Auf Empfängen, Briefkopf und Visitenkarte. Und als Waffe: Frau X bundespräsidentlich-zertifizierte Verdienste um Österreichs Kunst und Wissenschaft helfen ihr beim Upgrade im Flieger, beim Sonderpreis in der Therme, zum fetten Ausstellungskatalog im Museum, für das VIP-Band einer Kinopremiere und zum besten Tisch im Restaurant.

Und auch Detlef Wimmer hat seinen Orden verdient.

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