Frage eines - überzeugten - Nichtrauchers an die Bewohner der Raucherzonen in Restaurants: Ist Euch Zigarrenrauch vom Nachbartisch während des Essens wirklich wurscht?
Die Dame am Tisch hinter der Glasscheibe schob den Teller weg. Sie wirkte grün ums Näslein. Dann schüttelte sie den Kopf, raunte ihrem Begleiter etwas zu. Die beiden standen auf, zahlten und gingen.
Nicht nur nur an meinem Tisch fiel das auf. Und nicht nur auf unserer Seite der Scheibe. Auch drüben, im Raucherbereich: Von einigen Tischen kam mitleidig-verständnisvolles Nicken. Eine Frau sagte der abgehenden Dame irgend etwas Aufmunterndes. Durch die Scheibe sah es wie „Ich verstehe das sehr gut“ aus. Oder „Ich pack das auch kaum.“ Dazu zeigte sie auf den Grund des Abganges. Mit der Gabel zwar - aber umso unmissverständlicher.
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Nur die beiden Herren, am Tisch neben der Flüchtenden, merkten nichts. Oder taten so: Während rings um sie gegessen wurde und sogar während ihre Begleiterinnen aßen, rauchten sie. Zigarren: Wenn die automatische Schiebetür die in Stefan Gergelys „Silberwirt“ im Margaretener „Schlossquadrat“ den Raucher vom Nichtraucherbereich trennt, einmal etwas länger offen war, zog das Aroma bis zu uns in den der Rauchertrennwand doch entferntesten Bereich herüber: Der Geruch von Zigarrenrauch. Kurz. Und in einem Ausmaß, dass es kleinlich gewirkt hätte, da zu protestieren - aber doch eindeutig zuordenbar.
Vermutlich muss ich nicht erklären, auf welcher Seite ich in der Nichtraucherschutzdebatte stehe. Auch, dass mich in diesem Punkt wohl Welten vom sprachgewaltig-streitbaren Mutligastronomen Stefan Gergely vom Schlossquadrat trennen. Einig sind wir uns - vermute ich ohne Nachfrage - aber darin, dass es bezeichnend für die Eier- und Mutlosigkeit der österreichischen Politik war und (ist), wie da nicht entschieden, nicht durchgesetzt und nicht sanktioniert wurde - und das auf Kosten von Wirten und Gästen gleichermaßen. Und wie nun - mit grotesken Übergangsfristen - weiterhin versucht wird… Stopp. Darum geht es hier ja gar nicht.
Denn in Wirklichkeit habe ich nur eine Frage. Und die hat weniger mit Nichtraucherschutz, als mit Etikette, gutem Benehmen und der Scheu jemandem, der sich unmöglich benimmt, das zu sagen zu tun: Soweit ich mich an meine Elmayer-Tage erinnere, gehen Zigarren im Restaurant bei Tisch nämlich gar nicht. Nicht, solange gegessen wird.
Ein kurzer Google-Check der Schlagworte „Zigarren benehmen Restaurant“ relativierte mein Scheinwissen: In „Alles was Sie über gutes benehmen wissen müssen“ (Ecowin-Verlag) streift Thomas Schäfer-Elmayr die Zigarre im Restaurant nur: „Sogar in Lokalen , in denen das Rauchen (von Zigaretten) gestattet ist, sind Zigarren oder Pfeifen manchmal nicht erlaubt. Falls Sie sich nicht sicher sind, erkundigen Sie sich vorsichtshalber vorher beim Personal.“
Die beiden Herren, hatten niemanden gefragt. Dafür sprachen zumindest Auftritt und Habitus: Klassische Chefetagen-Exemplare. Etwa Mitte 60. Körpersprache und Rede-Lautstärke (ber Weg zum Klo führte na ihrem Tisch vorbei) Marke „ich habe das Rad erfunden“. Handy und Autoschlüssel am Tisch. Und Begleiterinnen, die wie die teuer gepimpten Versionen 3.0 ihrer ersten Ehefrauen wirkten. Sie waren schon da gewesen, als wir gegen 18:30 Uhr gekommen waren - und hatten bereits Zigarren in der Hand. Als wir - gegen halb zehn - gingen, saßen sie noch immer da. Deutlich - äh - aufgeräumter. Sakkos über den Sessellehnen. Krawatten gelockert. Zigarren in der Hand. Rund um den Aschenbecher (am Weg zur Toilette mussten wir am Tisch vorbei) türmten sich Aschen- und Zigarrenzeug: zwischen den Gängen zur Zigarette hatten beide jedes Mal ihre dicken Dinger demonstrativ rausgeholt. Die Begleiterinnen rauchten beide nicht.
Wie gesagt: Mir kann es im Grunde egal sein, ob und wie sich Andere im Rahmen der in ihren Revieren geltenden Regeln selbst und gegenseitig schädigen oder belästigen. Und zum „belästigen“ stehe ich - schließlich war offensichtlich, dass sich auch im Raucherbereich andere Gäste gestört und irritiert fühlten.
Also googelte ich noch einmal. Im „Zigarrenknigge“ des Zigarren-Online-Versandhauses „Noblego“ wurde ich fündig. Dass man dort Partei der talibanesken Raucherfeinde nimmt, ist eher unvorstellbar. Umso interessanter fand ich die dezenten, aber dich klar verständlichen Zeilen zum sozial verträglichen Zigarrengenuss: „… es gibt allerdings auch da eine kleine Etikette zu beachten. Vor allem, wenn Sie im Restaurant oder geschäftlich eine Zigarre mit anderen passionierten Aficionados zusammen rauchen, sollten Sie einige simple Dinge berücksichtigen … (Es) gelten genau die gleichen Tugenden wie auch sonst im Leben, wenn es um gutes Benehmen geht: Rücksichtnahme und Respekt. Daher gilt …: geben Sie Acht, dass der Zigarrenrauch nicht Ihre Tischnachbarn oder andere Menschen belästigt. Seien Sie rücksichtsvoll und machen Sie keine große Show aus dem Rauchen von Zigarren.“ – http://www.noblego.de/lexikon/zigarren-knigge/
Und „zigarren.org“ erklärt: „Ein Raucherbereich in einem Restaurant muss nicht unbedingt bedeuten, dass auch das Rauchen einer Zigarre erwünscht ist. Dieses sollte immer extra erfragt werden.“ Sämtliche Benimm-, Gastro- und Genuss-Ratgeberseiten auf die ich stieß, bliesen - oft wortident - ins gleiche Horn.
Schön zu lesen war auch, dass die Zigarre da stets als Synonym für High-End-Genuss definiert wurde. Und stets als Symbol für Kultiviertheit, Klasse und Savoir-Vivre bezeichnet wurde. Wie das Amen im Gebet wurde über Stil & Stimme, Setting & Ambiente und Kleidervorschriften beim Zigarrenrauchen gesprochen, bevor man überhaupt nur in die Nähe des richtigen Umganges mit der Rauchware an sich kam: Begriffe wie Respekt, Rücksicht und Dezenz stehen da sowohl in fett-dazuassoziierten als auch in ausgeschriebenen Blockbuchstaben immer dabei.
In der Welt, in der ich mich bewege, fällt unter Rücksicht auch der Verzicht auf eigentlich erlaubte Handlungen, wenn sie Mitmenschen ganz offensichtlich die Lebensqualität deutlich einschränken und mir nicht lebensbedrohlich weh tun: Der Weg an die Bar wäre wohl auch einem selbsternannten „Master of the Universe“ zuzumuten. (Nur für den Fall, dass die Herren wider Erwarten doch das Personal gefragt haben sollten. Ganz abgesehen davon, dass es ein No-Go sondergleichen ist, am Tisch zu rauchen, solange noch jemand anderer isst. Ja, auch dann, wenn die Begleitung fürs Begleiten gebucht sein sollte.)
Doch wie gesagt: Ich saß ja auf der anderen Seite der Scheibe. Und bekam von dem, was im Raucherbereich andere Gäste nervte, nur hin und wieder einen kleinen Aroma-Hauch mit. Und ich sehe mich nicht als Anwalt von Menschen, die sich mit ihren Kindern freiwillig zum Essen in verqualmte Räume setzen.
Dennoch: Dass da keiner der Kellner von sich aus die Interessen der anderen Raucher-Gäste zu wahren versuchte, verstehe ich nicht ganz. Schließlich verließen ja einige deshalb sogar das Lokal. Aber wie gesagt: Hinter der Scheibe - nicht in meiner Welt.
Stefan Gergely war leider nicht da. Den Herrn des Hauses hätte ich natürlich schon gefragt. Auch, weil mich seine Policy da interessieren würde: Gergely ist - soweit ich mich erinnern kann - selbst Zigarrenkenner und -genießer. Aber ich habe ihn, bei allem was uns in Sachen „Rauchen in der Gastronomie“ trennen mag, noch nie bei rücksichts- oder stillosem Verhalten gegenüber Anderen erlebt.