Drei Jahre für ein Verbotsschild

Österreich bleibt weiterhin der „Aschenbecher Europas“. Daran ändert auch die „mutige“ Entscheidung nichts, bis 2018 dort hin zu wollen, wo der Rest Europas seit zehn Jahren ist.

Ich muss es ja nicht kapieren. Aber in einem Land, in dem der Schutz des Stillstandes, das Verharren im Bewahren und das Nurnichtdranrühren die drei höchsten Prinzipien dessen sind, was in diesem Land für „regieren“ gehalten wird, wundert mich ohnehin nix mehr. Und weil Wundern den Wunsch nach Verstehen nach sich zieht, irritiert mich auch nix mehr: Ich gehöre - wiewohl einst Innenpolitikredakteur und keineswegs a priori desinteressiert - mittlerweile zu jener stetig wachsenden Bevölkerungsgruppe, die dem Konsum innenpolitischer Nachrichten abgeschworen haben. Und aus Selbstschutz versucht, weder mit der Kaste der „Aktiven“ noch mit dem, was sie als ihr Wirken bezeichnen, in Kontakt zu kommen.

Weil: Wenn es nicht sie sind, die inwelcherhinsicht auch immer unpackbar sind - dann muss es ja wohl ich sein, bei dem da was nicht stimmt. Oder der zu blöd ist, zu verstehen. Wer will sich das schon eingestehen? Eben. Also: Vermeiden. Wegschauen. Ohrenundaugenzuhalten. Nennen Sie es Oberflächlicheit. Oder Eskapismus - mir egal. Fakt ist: Seither geht es mir besser. Obwohl ich eh weiß, dass sich die Auswirkungen des Minderleisterwahnsinns natürlich nicht aus meinem Leben rausdrücken lassen. Nur ist die Entscheidung zwischen Katastrophe plus und Katastrophe ohne Magengeschwür halt doch einfach.

Egal. Ich schweife ab. Aber ich kann das erklären: Ich habe nämlich gerade eine Innenpolitikmeldung gelesen. Versehentlich. Und zuerst geglaubt, ich renne frontal gegen die Wand. (Um dann zu erkennen, dass ich mit meiner Ichwillvoneuchnixmehrwissen-Strategie genau recht habe: Die glauben sich nämlich selbst tatsächlich, was sie von sich geben…)

Es ging ums Nichtrauchen. Respektive: Das, was man in Österreich „Nichtraucherschutz“ nennt - und diesem Land in der zivilisierten Welt längst den Titel „Aschenbecher Europas“ eingetragen hat. Also die Groteske ums Rauchen im (halb)öffentlichen Raum. Auf deutsch: in der Gastronomie.

Es kommt, las ich, also doch. Das generelle Gastro-Rauchverbot. Und zwar 2018. Beschließt die Regierung im Jahr 2015 - und ist sich nicht zu blöd, diese Einigung mit dem üblichen „Großer-Wurf“-PR-Vokabular zu besülzen. Revolutionär. Visionär. Zukunftsweisend. Richtunggebend. Und so weiter. Der übliche Schmus halt. Geht´s noch?

Bevor Sie jetzt mit mir in eine Grundsatzdebatte einsteigen, ob das Rauchen in Lokalen erlaubt oder verboten sein soll und ob das Recht auf Selbtsvergiftung höherwertig ist, als jenes, als Dritter von den Selbtsvergiftern nicht geschädigt und/oder belästigt zu werden und ob Wahlfreiheit blablablablabla: Darum geht es nicht. (Mein Standpunkt dürfte sich eh schon aus Obigem erschlossen haben.)

Worum es geht: Um die hier wieder einmal eindrücklich demonstrierte Feigheit des Gesetzgebers und seiner Repräsentanten davor, Entscheidungen zu treffen. Und auch umzusetzen.

Weil: 2018? Geht´s noch? Denn abgesehen davon, wo sich der Rest der zivilisierten Welt in Sachen Nichtraucherschutz seit etwa zehn Jahren bewegt, abgesehen davon, was das konsequente Verbannen von Zigaretten und Qualm für gesundheitspolitische Auswirkungen zeigt, abgesehen davon, dass das Komplett-Aus fürs Rauchen den Rest der Welt mitnichten zu einer Welt ganz ohne Bars/Restaurants/Clubs/Beisln/Kaffeehäusern gemacht hat, abgesehen davon, dass … okokok, ich hör schon auf.

Und komme zum Punkt: Abgesehen von alledem, ist/war für mich zwar nachvollziehbar, dass es für den eierlosen und von vornherein als nicht leb- oder gangbaren typischen Austro-Kompromiss mit den Raucher- und Nichtraucherlokalen samt Nichtkontrolle plus Quadratmeterspielereien Übergangsfristen gebraucht hat (oder: hätte, wenn man da irgendwas ernsthaft umgesetzt hätte). Aber: Wieso man für die erste klare Entscheidung seit Beginn der Debatte , nämlich das Aufhängen von „Rauchen verboten“-Schildern drei Jahre - in Blockbuchstaben  DREI JAHRE - brauchen soll, kann mir kein Mensch erklären. Sogar für die Allergen-Auszeichnerei war die Übergangsfrist mit drei Monaten lang genug - und die meisten Wirte haben es, egal ob sinnvoll oder nicht, mittlerweile geschafft. Aber: Das Einsammeln der Aschenbecher dauert drei Jahre.

Außerdem Wenn man ein wenig genauer in die Jubelmeldungen hineinliest, österreichert es aus der „klaren Entscheidung“ ohnehin schon wieder in Reinkultur. Da schwafelt die Gesundheitsministerin von ihrer Hoffnung auf einen „friedfertigen Mittelweg“ ab 2018 Hä? Ach ja: auf einen Verzicht auf Sanktionen hat man sich ohnehin schon jetzt, 2015, zusammengemauschelt: „Man kann die Umsetzung nicht herbeistrafen“, wird der Vizekanzler zitiert.

Alles klar. Es ist und bleibt eben Österreich. Das Land, dem Franz Grillparzer schon in „König Ottokars Glück und Ende“ attestierte „mit halbem Herz und halbem Mut zum halben Ziel“ zu eilen. Der Hort der Politik ohne Eier. Die Republik, in der sich die Entscheidungsbefugten nicht trauen, Entscheidungen zu treffen, die über „Weiß - oder Rotwein“ hinausgehen. Und sich dann wundern, wenn sich das Publikum mit Grausen zur Gänze abwendet - oder jenen zuwendet, die auf komplexe Fragen primitive Antworten parat halten. Auch wenn die falsch sind.

© Seamartini Graphics

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