Krank laufen (oder sonstwie Sport machen) ist keine gute Idee. Das weiß jeder. Aber dann schlägt uns Ehrgeiz doch oft ein Schnippchen.
Sie dürfen mich nicht schlagen - ich bitte Sie sogar darum. Ausdrücklich: Fest. Wo es weh tut. Ohne Vorwarnung. Allerdings: Nicht einfach so. Sondern nur dann, wenn ich tue, was ich nicht zu tun geschworen habe: Zu schreiben (oder behaupten), dass der Tod eines Menschen „so“ zumindest Sinn bekommt, nämlich...
Weil: Dieser Satz ist Holler. Zynisch. Herzlos gegenüber den Hinterbliebenen. Und falsch: Menschen sind nämlich dumm. Ich ausdrücklich auch. Auch wenn sie angesichts einer Tragödie kurz innehalten oder ihr Verhalten ändern wollen, ist das nichts, was dem „Sinn“ gibt.
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Trotzdem war der Tod jenes 39-Jährigen, der beim Wachaumarathon tot zusammenbrach, eine Mahnung. Schließlich führte mir diese Katastrophe, die eine Familie mit zwei Kindern zerstörte, mehr als eindrucksvoll vor Augen, dass es gar keines sichtbaren Fehlers bedarf, aus Freizeitspaß eine tödliche Sache zu machen.
Der Reihe nach: Ich weiß nicht, was genau passiert ist. Auch wenn der Laufverein des Toten den Namen und die Veranstalter des Wachau-Marathons eine Spenden-Kontonummer veröffentlichten (und meine Lauf- Freunde auch eingezahlt haben): Ich werde diese Details nicht nennen. Wenn sie es unbedingt rauskriegen wollen, werden Sie das schon schaffen.
Was mich - und meine Freunde - neben der menschlichen Tragödie berührte: Es hätte jeden von uns treffen können. Wenn nicht hier, dann anderswo. Jeder von uns ist schon gelaufen - obwohl er nicht 150% gesund war. Und es vielleicht nicht einmal wußte. Wie der Tote von Krems: Der, ein erfahrener und gut trainierter Marathonläufer, kam jubelnd über die Ziellinie. Es gibt sogar ein Foto davon. Dann fiel er um. Herz-Kreislauf-Versagen. Der Notarzt waren sofort da. Trotzdem hatte der Familienvater keine Chance.
So etwas ist furchtbar. Aber es passiert. Und niemanden trifft Schuld. Denn auch wenn es - hernach - hieß, dass der Mann eine „schwerwiegende internistische Vorerkrankung“ gehabt hätte: Er wußte davon nichts. So verrückt, sich wissentlich und mutwillig in Lebensgefahr zu bringen, ist nämlich kein Hobbyläufer. Schon gar nicht, wenn er Marathonerfahrung hat. Noch weniger, wenn er Familie hat.
Obwohl mein Freund Marcus und ich nicht einmal fünf Minuten nach diesem Vorfall über die Ziellinie kamen, erfuhren wir erst am Abend davon. Wir sahen einander an: Hätte uns das auch geschehen können? Hm. Eher nicht. Dachten wir. Beide: Solche Geschichten haben wir schon öfters gehört. Und daraus Lehren gezogen. Man muss nicht jeden Fehler selber machen. Auch nicht in der „Light“-Version.
Wachau war vor Wochen. Danach kommt die „grippaler Infekt“- und „starke Verkühlung“-Saison. Doch weil wir uns für unverzichtbar halten, rücken wir schniefend und mit Brummschädel am Arbeitsplatz an. Auf dass wir alle, die noch nicht gesund sind, „anhiasln“. U-Bahn. Bus und Klimaanlagen machen wir zu Mittätern.
Wer arbeitet kann auch sporteln. Ein bisserl halt. Wir trainieren schließlich auf Ziele hin. Ich auf den New York Marathon Anfang November. Marcus auf einen wunderschönen Geheimtipp-Marathon in Irgendwo. Es geht um nix - aber ein bisserl Ehrgeiz ist schon da. Und wegen einem bisserl Schnupfen lasse ich doch mein Ziel, in New York unter drei Stunden zwanzig zu laufen, nicht sausen.
Wo das „Ich“ blöd ist, greift das „Es“ ein: Nach ein paar Tagen des Herumlavierens drückte mein Körper die Stopptaste. Zwei Tage ohne Training brachten auch nix: Ab ins Bett. Nix Gravierendes. Kein Fieber. Gliederschmerzen. Husten. Schnupfen. Schädelbrummen. Schwächegefühle. Das Übliche. Haben jetzt Viele.
Da hilft nur Ruhe. Schwitzen. Ingwertee. Schlafen. Nach vier Tagen war ich gesund. Zwei Zusatztage Sportpause gab ich mir dazu. Dann zog ich die Laufschuhe an.
„Geht es Dir wirklich gut genug?“ fragte meine Freundin. „Sicher?“
„Geht es Dir wirklich gut genug?“ fragte meine Mutter. „Sicher?“
„Geht es Dir wirklich gut genug?“ fragte Sandrina Illes, meine Trainerin Sandrina Illes – „Sicher?“
Ich schnauzte sie an: „Na sicher, ich bin doch nicht deppert.“ Und leise seufzte ich: „Frauen …“ Dann lief ich los.
Ich hatte recht: Es lief super. Ich auch. Klar: Nach einer Woche Pause, geht der Puls früher nach oben. Das ist normal. Man muss halt wieder rein kommen. Am Abend fühlte ich mich großartig: Energiegeladen. Euphorisch. Optimistisch: New York, here I come!
Der nächste Tag war niederschmetternd: Schwach. Matt. Kreislauf-Gaga. Bei der kleinsten Anstrengung fühlte sich mein Hals an, als würde von unten aufgepumpt. Ich spürte mein Herz arbeiten. Dabei war ich mir sicher gewesen, gesund zu sein.100 Prozent: Ich bin doch kein Trottel. Keiner, der sich mutwillig zerstört. Oder New York aufs Spiel setzt. Oder hinter der Ziellinie … Ich hätte geschworen. Jeden Eid.
Es dauerte - auch durch eine Dienstreise bedingt - fast eine Woche, bis ich wieder in Laufschuhen stand. Natürlich war ich langsamer. Nicht nur, weil ich es bewusst langsamer anging, als ich es mir selbstzugemutet hätte. Oder zugetraut. Natürlich ging der Puls früher und weiter hinauf, als sonst. Natürlich spürte ich, dass mir Kraft fehlte. Aber: Das ist wirklich normal. Auch, dass ich meine Beine am nächsten Tag spürte - aber eben nicht mein Herz.
Frustriert war ich trotzdem. Erst recht, als Sandrina Illes - die Trainerin - mir sagte, was ich nicht hören wollte: „Es wird zwei Wochen dauern, bis du dort bist, wo du warst. Oder drei. Mindestens.“ New York ist in zwei Wochen. Drei-Stunden-Fünfzehn kann ich mir aufzeichnen. Wenn ich unter vier bleibe, ist das schon gut. Sehr gut.
Nur: Plan B wäre ein Hasardspiel. Münzewerfen. Das kann gut ausgehen. Dann habe ich gewonnen: Eine schön Zahl in meiner Laufstatistik. Zum Stolz sein. Trotzdem nur eine Zeit. Und im Vergleich mit denen von wirklich guten Läufern sind Drei-Fünfzehn (oder auch Drei-Null) genau gar nix wert.
Das Spiel kann auch schlecht ausgehen. Dann verliere ich. Im besten Fall nicht bloß eine Zahl. Im schlimmsten endgültig. Aber auch das, was da dazwischen liegt, ist das Zocken nicht wert.
Noch dazu, wo das mit dem Beispiel-Werden ohnehin nicht funktioniert: Mein Kumpel Marcus liegt seit drei Tagen im Bett. Schnupfen. Husten. Halsweh. Brummschädel. Das Übliche. Heute telefonierten wir: Es gehe ihm schon super. Sagte er. Morgen wird gelaufen. Schließlich steht ein Marathon vor der Tür. Er fühle sich schon wieder fit. 100 Prozent.
Minuten nach dem Telefonat kam ein SMS. Marcus Frau: Sie überlege, schrieb sie, ihm etwas in den Tee zu mischen. Etwas, was müde macht. Schläfrig. Willenlos. „Oder ich schlage ihn einfach k.o.: Nicht, weil ich ihm den Lauf nicht gönne. Wirklich nicht. Aber ich will ihn noch länger haben - und anders funktioniert das scheinbar nicht.“
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